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Aus: Ausgabe vom 20.12.2024, Seite 9 / Kapital & Arbeit
Wirtschaftskrieg

Tik Tok spielt auf Zeit

Oberstes US-Gericht plant Anhörung vor drohender Abschaltung. EU-Kommission leitet Verfahren wegen Wahlmanipulation ein
Von Sebastian Edinger
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Bleibt es auch unter Trumps Regierung beim rigorosen Vorgehen gegen Tik Tok?

In der Auseinandersetzung um die drohende Abschaltung der Kurzvideo-App Tik Tok in den USA überschlagen sich die Ereignisse: Nachdem vergangene Woche eine Klage des Plattformbetreibers gegen das im April verabschiedete Verbotsgesetz gescheitert war, wurde am Mittwoch vor dem Supreme Court auch ein Eilantrag auf Aufschub abgelehnt. Allerdings haben die Richter für den 10. Januar eine Anhörung anberaumt, bei der Tik-Tok-Vertreter ihre Argumente vorbringen sollen. Können sie auch hier nichts erreichen, geht die App voraussichtlich am 19. Januar vom Netz.

Mit der Einschaltung des Obersten Gerichts will Tik Tok vor allem eins: Zeit gewinnen. Schließlich findet ausgerechnet am Tag nach dem Ablauf der Frist für den Verkauf der Plattform und die andernfalls drohende Abschaltung die Amtseinführung des künftigen Präsidenten Donald Trump statt. Dieser hatte zwar während seiner ersten Amtszeit selbst versucht, gerichtlich gegen Tik Tok vorzugehen. Im zurückliegenden Wahlkampf äußerte er sich jedoch wiederholt positiv über das Medium. Am Montag betonte er mit Verweis auf sein verbessertes Abschneiden bei jungen Wählern, Tik Tok habe einen »Platz in seinem Herzen«.

Zwar könne Trump das Verbotsgesetz nicht selbst außer Kraft setzen, führte er weiter aus. Doch er werde nach dem Machtwechsel in Washington den Justizminister seiner neuen Regierung beauftragen, die Umsetzung des Gesetzes streng zu überwachen. Am Montag kam es zudem laut US-amerikanischen Medienberichten zu einem »privaten Treffen« zwischen Trump und Tik-Tok-Chef Shou Zi Chew. Über die Inhalte wurde indes nichts bekannt.

Die scheidende US-Regierung von Präsident Joe Biden hatte das im April beschlossene Vorgehen gegen Tik Tok mit einer möglichen Weitergabe von Nutzerdaten durch den chinesischen Mutterkonzern Bytedance an die Regierung in Beijing und einer daraus folgenden Gefahr für die innere Sicherheit der USA begründet. Deshalb sollte die App an US-Investoren verkauft oder eben abgeschaltet werden. Bytedance hatte die Vorwürfe stets zurückgewiesen und argumentiert, Tik Tok habe eine unabhängige Firmenstruktur mit Hauptsitz außerhalb der Volksrepublik. Ohnehin sei auch der Mutterkonzern zu 60 Prozent in der Hand westlicher Investoren und unterliege keiner Pflicht zur Datenweitergabe an staatliche Organe.

Beschlossen wurde das Gesetz dennoch, weshalb nun die Verbannung aus den App-Stores in den USA droht. Einen Eigentümerwechsel hat Bytedance als technologisch und rechtlich unmöglich ausgeschlossen. Weiter argumentieren Konzernvertreter zuletzt, selbst ein vorübergehendes Aus würde zu erheblichen Verlusten führen. Ob diese noch abgewendet werden können, wird wohl die nun terminierte Anhörung zeigen. Die Richter wollen insbesondere prüfen, ob ein Verbot des von rund 170 Millionen US-Bürgern genutzten Dienstes das Recht auf Redefreiheit verletzen würde.

Weiteren Ungemach für Tik Tok gibt es derweil aus Brüssel. So hat die EU-Kommission in am Dienstag mit Verweis auf Geheimdienstinformationen ein Verfahren gegen die Plattform wegen möglicher Wahlmanipulation eröffnet. Konkret geht es um die Präsidentschaftswahl in Rumänien. »Wir müssen unsere Demokratien vor jeglicher Art ausländischer Einmischung schützen. Wann immer wir eine solche Einmischung vermuten, insbesondere während Wahlen, müssen wir schnell und entschlossen handeln«, verlautbarte Behördenchefin Ursula von der Leyen.

Dem überraschenden Wahlsieger Călin Georgescu warf die Kommission vor, erheblich von den Tik-Tok-Algorithmen profitiert zu haben. Das oberste Gericht des Landes hatte daraufhin die Wahl annulliert. Man sei das Ziel eines »aggressiven russischen hybriden Angriffs« geworden, hieß es aus Bukarest. Tik Tok wird vorgeworfen, im Vorfeld der Wahlen zu wenig für deren Schutz getan zu haben. Das nun eingeleitete Verfahren basiert auf dem Digital Services Act, der saftige Sanktionsoptionen beinhaltet. Es droht ein Bußgeld von bis zu sechs Prozent des weltweiten Jahresumsatzes, im Falle von Tik Tok wäre das knapp eine Milliarde Euro. Zunächst sollen in Brüssel aber Beweise gesammelt werden.

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  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Joachim S. aus Berlin (19. Dezember 2024 um 20:14 Uhr)
    Könnte sich die EU-Kommission, wenn sie schon einmal beim Sammeln von Beweisen ist, nicht auch noch einmal die »ersten freien und demokratischen Wahlen« vornehmen, die im März 1990 in der DDR stattgefunden haben? Da soll es dem Vernehmen nach auch so etwas wie Wahlbeeinflussung gegeben haben. Aber das geht bestimmt nicht, denn damals haben ja »die Guten« gewonnen.

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