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Aus: Ausgabe vom 20.12.2024, Seite 11 / Feuilleton
Documenta

Stimmen im Raum: Naomi Beckwith kuratiert die Documenta 16

Von Ulrich Schneider
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Pressekonferenz zur Vorstellung der neuen künstlerischen Leitung der Documenta 16 (Kassel, 18.12.2024)

Am Mittwoch wurde in Kassel die neue künstlerische Leitung der Documenta 16 vorgestellt, das Interesse von Medien und Kunstszene war groß. Im Vorfeld hatte es erkennbare politische Einflussversuche gegeben, insbesondere von Berlin aus war der Standort Kassel in Frage gestellt worden war. Nun bekräftigten Oberbürgermeister Sven Schoeller (Bündnis 90/Die Grünen) und der hessische Staatsminister für Kunst und Wissenschaft Timon Gremmels (SPD) erneut die traditionelle Örtlichkeit sowie den geplanten Termin der kommenden Documenta-Weltkunstschau vom 12. Juni bis 19. September 2027. Wichtiger war jedoch die Personalie, die Andreas Hoffmann, Geschäftsführer der Documenta und Museum Fridericianum gGmbH, zu verkünden hatte: Die US-Amerikanerin Naomi Beckwith wurde von der internationalen Findungskommission für die künstlerische Leitung ausgewählt und vom Aufsichtsrat berufen.

Es war nach den heftigen Debatten um die vom indonesischen Kollektiv Ruangrupa kuratierte Documenta 15 klar, dass es nicht erneut eine kollektive Leitung geben würde. Beckwiths Qualifikationen sind unstrittig: Als stellvertretende Direktorin und Chefkuratorin des New Yorker Guggenheim-Museums betreue sie Sammlungen, Ausstellungen, Publikationen, kuratorische Programme und Archive und verantworte zudem die strategische Ausrichtung innerhalb des internationalen Netzwerks der angegliederten Museen. Sie ist eine so rührige wie angesehene Kunsthistorikerin und Kuratorin; ihre Arbeit erfährt vielfältige öffentliche Anerkennung. So war Beckwith 2021 Mitglied des Teams zur Realisierung der von Okwui Enwezor, Kurator der Documenta 11, vor seinem Tod 2019 konzipierten Ausstellung im The New Museum (New York). 2024 wurde sie vom High Museum of Art in Atlanta (USA) mit dem David-C.-Driskell-Preis für afroamerikanische Kunst und Kunstgeschichte ausgezeichnet.

Wie Beckwith bei der Pressekonferenz erklärte, solle die Kunst einen Raum für Antworten auf die globalen Krisen und Herausforderungen ermöglichen. Auch weiterhin sollen künstlerische Stimmen des globalen Südens (»global majority«) deutlich vernehmbar sein, erneut soll das regionale Umfeld in Kassel eingebunden werden. Was sie unter einer »Zusammenarbeit im Raum der Kunst« versteht, bleibt freilich zunächst unklar. Peinlich war der Auftritt eines Mitarbeiters der »Tagesschau«, der nicht nur erneut vermeintliche Schwierigkeiten mit Antisemitismus ansprach, sondern von der Schwarzen Naomi Beckwith ernstlich wissen wollte, wie sie mit Rassismus auf der kommenden Documenta umzugehen gedenke. Beeindruckend das klare Statement der Kuratorin, dass es keine Toleranz für Rassismus und Diskriminierung geben könne, aber gleichzeitig das Recht der eingeladenen Künstler gelte, ihre Position auszudrücken. Sie vertrete das Prinzip »Respekt und Dialog« (»respect and dialogue«).

Ob es der neuen Kuratorin gelingt, diesen Dialograum zu schaffen und erneut anregende internationale Künstlerinnen und Künstler nach Kassel zu holen, wird sich zeigen. Im kommenden Jahr wird Beckwith ein detailliertes Konzept vorstellen.

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