Faule Festtage
Von Barbara PevelingStress pur: Schokolade einkaufen für den Adventskalender, Plätzchen backen, Kochen für den »Heiligen Abend«. Sofern sie dieses Fest feiern, ist Weihnachten hauptsächlich Angelegenheit der Frauen. Sie sind es, die sich um die Planung der Festtage, die Familienbesuche, die Geschenke, die Vorbereitungen, den Ablauf und auch die Ferienplanung kümmern. Nach dem Gender Pay Gap verdienen Frauen gut 18 Prozent weniger als Männer – und das, obwohl sie sowieso auch die Hauptlast an Carearbeit in Familien tragen.
Trotz dessen: Im Zentrum der öffentlichen Wahrnehmung stehen rund um den Weihnachtsbaum hauptsächlich Männer. Da ist beispielsweise der Nikolaus, der schon am 6. Dezember auftritt, um die Spannung für die Familienmitglieder mit ein paar Geschenken zu verkürzen. Ursprünglich wurde er von einem ruppigen Gegenpart begleitet, der die bösen Frauen und Kinder bestrafte. Dieser hat, je nach Region, unterschiedliche Namen. In Österreich und Oberbayern wird er Krampus genannt, in Mitteldeutschland ist es Knecht Ruprecht und auf Borkum heißt er Klaasohm. Bis heute ziehen in einigen Gegenden wilde Männerhorden am Abend des 5. Dezembers durch die Straßen, um Krampus oder Klaashom zu feiern. Der Brauch, dabei Frauen zu schlagen, wurde auf Borkum erst in diesem Jahr nach öffentlichen Protesten abgeschafft.
Während Männer durch den öffentlichen Raum toben, erschöpfen sich Frauen bei den Vorbereitungen für die Festtage im Haus. Mit Abschaffung der Prügelstrafe verschwand zwar nach und nach die offene Gewalt, doch die körperliche Züchtigung wurde lediglich durch die körperliche Ausbeutung ersetzt. Der Weihnachtsmann hat sich aus der Figur des Nikolaus entwickelt, er wurde von Einwanderern aus Europa in die USA mitgebracht, unter den sich ausbreitenden kapitalistischen Verhältnissen verschwand sein brutaler Begleiter nach und nach. Der Weihnachtsmann, wie wir ihn heute kennen und wie er im Alltag zelebriert wird, ist jemand, bei dem man sich gerne auf den Schoß setzt, er wendet keine Gewalt an, sondern gewinnt durch seinen Gabenreichtum.
Aber der Schein trügt. Das gesellschaftliche Narrativ vom gütigen Weihnachtsmann reflektiert nicht nur die weiterhin herrschende Ungleichheit in der Geschlechterfrage, sondern manifestiert sowohl die subtile Form der Dominanz, wie sie sich zwischen den Geschlechtern etabliert hat, als auch die strukturelle Gewalt gegen Frauen in unserer Gesellschaft. Dies nicht nur, weil die partnerschaftliche Gewalt an Feiertagen oft eskaliert; die Zahlen steigen Jahr für Jahr. Das Bild des gütigen und mächtigen weißen Mannes prägt intime Beziehungen und generiert darüber hinaus die Vorstellung, dass die Gewalttätigen immer die anderen Männer sind – nur nicht die, die unsere Gesellschaft dominieren. Während der Weihnachtsmann mit dickem Bauch und Rauschebart lächelt, werden Frauen von der Sorgearbeit weichgekocht wie lebende Frösche in einem Kochtopf.
Die fiktive Figur des Weihnachtsmannes macht Frauenarbeit unsichtbar. Dabei ist der Weihnachtsmann nur eine Version der vielfältigen Besetzung des Winterrituals, das in der dunklen und kalten Jahreszeit ursprünglich die menschliche Angst vor dem Tod kompensiert. Es gibt historisch auch weibliche Figuren: In Italien bringt die Hexe Befana die Geschenke und am Niederrhein hat in der Vergangenheit auch mal die Heilige Barbara die Süßigkeiten gebracht.
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