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Aus: Ausgabe vom 20.12.2024, Seite 16 / Sport
Fußball

Ein neuer Anlauf

UEFA-Konkurrenz will Unify League statt Super League ins Leben rufen
Von Raphael Molter
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Verbände wie die UEFA stellen eine Art Vermittlerfeld dar, indem sie über Regeln, Entscheidungen und Diskurse den Rahmen setzen

Alle Jahre wieder: Am vergangenen Dienstag abend stellte die Agentur A 22 Sports Management bei der UEFA erneut einen Antrag für eine Super League, knapp drei Jahre nach der spektakulären Pleite. Was hat sich seitdem geändert? Die im Dezember 2023 gefällte Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) hatte das Verbandsmonopol der UEFA so stark wie noch nie angegriffen. Über Jahre lieferten sich der europäische Kontinentalverband und der Weltverband FIFA einen Rechtsstreit mit der Agentur, an dessen Ende ein Urteil stand, das nun die bisherige Organisation des europäischen Fußballs auf den Kopf stellen könnte.

Der geplante Wettbewerb basiert auf einem geschlossenen Vierligenmodell; das Auf- und Abstiegssystem soll abgeschafft werden. Mit der Alternative zu den europäischen Vereinswettbewerben der UEFA entsteht eine Plattform, die sich der Kapitaldynamik völlig unterordnet, ohne die sportliche Legitimität durch offene Wettbewerbsstrukturen zu wahren. Die nationalen Ligen würden somit zu Ausbildungsstätten des »Spielermaterials« degradiert werden.

Die sogenannte Unify League reiht sich damit in die historische Tendenz ein, die amateurgeprägte Struktur zu destabilisieren, um den Fußball möglichst effizient der Kapitalakkumulation zu unterwerfen. Darin steckt der Versuch einer Transformation eines öffentlichen Guts (Repräsentation kultureller, gemeinschaftlicher Werte) in ein entbettetes Wirtschaftsprodukt, dessen Wert primär an finanziellen Renditen gemessen wird.

Welche Rolle spielt der Amateurismus in der Fußballindustrie überhaupt noch? Ursprünglich ging es darum, Sport von wirtschaftlichen Zwängen freizuhalten und ihn als zweckfreie, auf Fairness beruhende Tätigkeit zu etablieren. Diese Ideologie verband den Fußball mit demokratischen und egalitären Werten, obwohl in der Praxis stark von Klasseninteressen durchzogen. Amateurismus bleibt eine wichtige kulturelle Ressource, um den Fußball symbolisch mit demokratischen und egalitären Werten zu verknüpfen und Protest zu vermitteln (vgl. DFL-Investoren-, Super-League-Proteste).

Die Unify League attackiert diesen Grundpfeiler, indem sie sich explizit gegen offene Strukturen stellt. Sie beraubt den Fußball seiner narrativen Kraft, eine »Landnahme« im Sinne kapitalistischer Durchdringung sozialer Felder zu verhindern. Der über Jahrzehnte kultivierte Mythos des »David gegen Goliath« wird durch geschlossene Ligen nahezu ausgerottet. Damit verlöre der Fußball eine seiner zentralen kulturellen Funktionen: die Darstellung und Aushandlung gesellschaftlicher Ungleichheit im symbolischen Raum.

Der Kampf um die Deutungshoheit über den Fußball – als kulturelles Phänomen oder kommerzielles Produkt – ist Ausdruck der gesellschaftlichen Widersprüche. Fankultur lässt sich als Gegenhegemonie zum Fußball als globales Produkt verstehen, bei der die Kommerzialisierung begrenzt und das Spiel als gemeinschaftliches Gut verteidigt wird. Bürgerliche Verbände wie die UEFA stellen eine Art Vermittlerfeld dar, indem sie über Regeln, Entscheidungen und Diskurse den Rahmen setzen, innerhalb dessen verschiedene Kräfte ihre Interessen durchzusetzen versuchen. Dabei darf die Kritik an den bisherigen Verbänden nicht zu kurz geraten, denn sie schaffen eine hegemoniale Ordnung, in der bestimmte Interessen (große Vereine, Sponsoren, Investoren, Medienunternehmen) den Vorrang bekommen, während andere integriert oder marginalisiert werden. Die Vereinigung divergierender Interessen unter dem Schirm eines Verbands lässt diesen – ähnlich zum Staatswesen – als neutrale Instanz erscheinen, der mit Hilfe der Konsensschaffung Kapitalinteressen durchsetzt, ohne dass zwangsläufig die kulturelle Bindung verlorengeht. Kompromisse mit organisierten Fans bis hin zu offenen Protesten werden so zum Ordnungsfaktor. Die UEFA, trotz aller notwendigen Kritik, verteidigt insofern eine Form von Fußball, die zumindest formell an ebensolche Kompromisse gebunden bleibt und der emanzipatorischen Veränderung offensteht.

Der Vorgang eines geschlossenen Ligensystems auf europäischer Ebene ist somit Symptom der zunehmenden Dominanz der Kapitallogik in allen Lebensbereichen. Die Zukunft des Fußballs wird davon abhängen, ob es (organisierten) Fans gelingt, den Abwehrkampf zu gewinnen. Dabei bleibt der Sport ein ideologisches Schlachtfeld, auf dem sich grundlegende Fragen nach der Organisation von Gemeinschaft und Gerechtigkeit spiegeln.

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