Dämpfer für den Aktienmarkt
Von Lucas ZeiseDie US-Notenbank Federal Reserve (Fed) hat am Mittwoch erwartungsgemäß den Leitzins um einen Viertelpunkt (auf die neue Zinsspanne zwischen 4,25 und 4,5 Prozent) zurückgenommen. Völlig unsensationell also. Und dennoch reagierte der Finanzmarkt, als sei ein Unglück geschehen: Die Renditen für zehnjährige Staatsanleihen hopsten binnen zwei Tagen um 0,2 Prozentpunkte auf beinahe 4,6 Prozent. Der US-Dollar stieg kräftig.
Entsprechend rutschte der Euro unter 1,04 US-Dollar. Am Aktienmarkt fiel der breite US-Marktindex S&P 500 um fast drei Prozent. Die Kursgewinne seit der Wahl Donald Trumps waren damit so gut wie eliminiert. Besonders Aktien, die von der Spekulation seit Anfang November favorisiert worden waren, fielen kräftig. So verlor die Tesla-Aktie des Trump-Favoriten Elon Musk allein am Mittwoch um 8,3 Prozent.
Keine der zahllosen Börsenweisheiten ist so gut getestet wie diese: Sinkende Zinsen treiben die Aktienkurse. Denn Investoren aller Sorten können sich billiger verschulden. Ihre Investition rechnet sich schneller. Das Verlustrisiko wird geringer. Wenn die Notenbank ihre Leitzinsen senkt, ist das im Regelfall also ein Signal, dass sich nicht nur der Leitzins ermäßigt, sondern auch die meisten anderen Zinsen – und dass die Aktienkurse steigen. Das Jahr 2024 war in den USA ein hervorragendes Aktienjahr.
Der S&P 500 stieg seit Jahresbeginn bis Anfang Dezember um satte 28,6 Prozent. Der wichtigste Grund dafür ist einfach und eindeutig: Das Zinsniveau sank auf breiter Front. Zwar begann die Notenbank erst im September, ihren Leitzins stückweise zurückzunehmen, hatte das aber angesichts mäßig sinkender Inflation schon seit Jahresanfang wiederholt angekündigt. Die Notenbanker hatten in Aussicht gestellt, dass ihr Leitzins auch im kommenden Jahr weiter abgesenkt werden könne. Banker und Spekulanten rechneten also damit, dass es 2025 weitere vier Senkungsschritte um insgesamt einen Prozentpunkt geben würde. Diese Erwartung gab dem Trump-Auftrieb nach der Wahl zusätzliche Kraft.
Diese Erwartung ist jetzt in sich zusammengefallen. Der Präsident der Notenbank, Jerome Powell, garnierte die erwartete Zinssenkung am Mittwoch mit einem getrübten Inflations- und Zinsausblick. Es sei nicht zu erwarten, dass die Kerninflation (Preissteigerung ohne Energie und Lebensmittel) auf das erstrebte Ziel von zwei Prozent jährlich gesenkt werden könne. Er riet den Spekulanten, sich darauf einzustellen, dass die Fed im kommenden Jahr den Leitzins vermutlich nicht um einen ganzen Prozentpunkt zurücknehmen könne.
Diese feinsinnigen Überlegungen werden von den Akteuren am Finanzmarkt ernst genommen. Eine größer werdende Zahl unter den Verwaltern großer Geldsummen hat in letzter Zeit Unbehagen an der überbordenden Spekulation (dem »irrationalen Überschwang«, wie Powells Vorgänger Alan Greenspan es einmal genannt hat) in vielen Bereichen des US-Marktes geäußert. Man kann annehmen, dass Powell diesen Bedenkenträgern entgegenkommt und der Erwartung einen Dämpfer versetzt, um eine »gesunde Korrektur« zu erreichen.
Unser Autor ist Finanzjournalist und Publizist. Er lebt in Aachen
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Leserbrief von Linbrinst (24. Dezember 2024 um 15:07 Uhr)Sehr geehrter Herr Zeise, in den Qualitätsmedien wurde freudig verkündet: 9% mehr Steuereinnahmen für den Bund. Nur noch in einigen Medien wurde kurz mitgeteilt, das dies im wesentlichen durch ein erhöhtes Lohnsteueraufkommen zustande gekommen ist, das dies mit den Lohnerhöhungen zusammen hänge, obwohl im betrieblichen u/o industriellen Bereich das Steueraufkommen gesunken sei, z.B. durch Insolvenzen. Das böte doch mal wieder die Kritik anzubringen, das dieser Lohnraub des Staates, für die Repression gegen diese Steuerzahler eingesetzt wird.
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