Das geht los wie Sau
Von Frank SchäferSet aus Leipzig bringen es nie zu einem eigenen Amiga-Album. Immerhin drei Singles und sieben Samplerbeiträge schlagen zu Buche, ehe sie Mitte der achtziger Jahre ihre Aktivitäten einstellen. Nach der sogenannten Wiedervereinigung entdecken findige Trüffelschweine noch einige Tracks im DDR-Rundfunk-Archiv und retten sie auf Ostrock-Samplern. Das Zeug zu mehr hatten sie auf alle Fälle.
Lutz Heinrich ist Gründer, Gitarrist und eine Weile der musikalische Kopf von Set, ein gelernter Schmied aus der sächsischen Provinz, der 1971 von Renft-Gitarrenheld Cäsar Peter Gläser entdeckt und nach Leipzig beordert wird, weil er kurz zuvor als Opener für Renft mit seiner Krawalltruppe Club 5 den Laden abgefackelt hatte. In Leipzig stößt Heinrich auf eine lebendige und ziemlich professionelle Szene und weiß sich durchzusetzen. Mit Bernd Haucke (Drums), Bernd Seifert (Bass) und Hans Kölling (Gesang, Gitarre, Saxophon) bildet er bald den kreativen Kern von Set, den ständig wechselnde Mitstreiter ergänzen. »Wir spielten auf den Konzerten Colosseum und andere raffinierte Sachen, teilweise richtige Werke«, erzählt Heinrich im Interview mit deutsche-mugge.de. »Da ging es richtig zur Sache mit knallharten Gitarren, langen Gitarrensoli, Orgeleinlagen à la Rick Wakeman, insgesamt also alles auf einem hohen handwerklichen und musikalischen Niveau.«
Diese Ruppigkeit zeichnet dann auch ihre erste Plattenveröffentlichung aus. »Eisen« heißt recht treffend ihr Beitrag zum Sampler »Hallo 1975«, ein schmutziger Heavy Boogie in der Tradition von Steppenwolf mit einer liquide gniedelnden Leadgitarre von Heinrich. Aber dann macht er den Fehler und zeigt seinem Rundfunkproduzenten »Huscha«, eine dümmlich-schlagereske Dixieland-Nummer über einen liebestollen Pechvogel, der sein Mädchen mit auf eine Bootsfahrt nimmt und mit ihr kentert. Der Erfolg dieses Gags sorgt dafür, dass sie neben härteren Stücken immer wieder solche Nettigkeiten produzieren, die im ziemlichen Widerspruch stehen zum Prog-Hard-Rock ihrer Konzerte und ihnen vielleicht auch ein wenig ihre Aura eindellen. Im Westen wäre es jedenfalls so gewesen.
Set machen viele Besetzungswechsel durch, auch das verhindert vielleicht den ganz großen Durchbruch in der DDR. 1978 kommt schließlich Thomas Bürkholz als Schlagzeuger zur Band, der seine eigene Bürkholz-Formation fünf Jahre zuvor aufgeben musste, weil die Fans der Band beim Konzert eine kleine Revolte angezettelt und Ordnungskräfte vermöbelt hatten. Von Bürkholz und dem häufig gebuchten Textdichter Jan Witte stammt die zweite Set-Großtat, die Hymne von »Kipper Keule«. »Hejo, kommt Keule vom Bau / Hejo, das geht los wie Sau«, heißt es da zu recht über diesen heldenhaften Arbeiter der Faust, der für alles eine Lösung findet. »Keule schafft, und er weiß das, er kann das / und da muss das verdammt noch mal irgendwie hinzukriegen sein.« Und der pathetische, beinahe sakrale Hammer-Riff geht nicht nur wirklich los wie Sau, er macht auch eins ganz klar: Es ist beruhigend, dass es da draußen einen wie Keule gibt, der den Laden am Laufen hält.
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Marc P. aus Cottbus (21. Dezember 2024 um 02:09 Uhr)Hier hätte man noch zur besseren Einordnung den ein oder anderen Querverweis auf prominentere Musiker und bekannte Ereignisse dieser Zeit einflechten können. So bedeutete, zum Beispiel, die staatlich erzwungene Auflösung der Bürkholz-Formation nicht nur das Ende einer populären Rockband, sondern deren Frontmann, Hans-Jürgen Beyer (ein ausgebildeter Opernsänger!), musste sich dadurch nach einer neuen musikalischen Betätigung umtun und mutierte in der Folge vom Sänger einer skandalträchtigen Rockband zu einem der erfolgreichsten Schlagersänger (!) der DDR.
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