Der Botschafter
Von Arnold SchölzelSeine jüngsten E-Mail-Wünsche lauteten: »Herzliche Jahresausklangcheerios in und mit der Hoffnung auf ein weniger vermaledeites Jahr 2025.« Gesprochen hätte Rainer Werning, der am 22. Dezember vor 75 Jahren in Münster geboren wurde, das im rheinisch-westfälischen Singsang, also mit Wärme und Genauigkeit bei der Charakteristik der Zeitläufte.
Die hat er in großen Teilen der Welt, vor allem in Ost- und Südostasien, seit mehr als 50 Jahren vor Ort und aus der Distanz als promovierter Wissenschaftler studiert, verfasste zahlreiche Bücher über vom Kolonialismus besonders geschundene Länder wie die Philippinen und Korea und bereitet bis heute Aktuelles journalistisch auf – viel für den Hörfunk, für die Nachdenkseiten, die Schweizer Woz und viele andere. Er ist ein Botschafter im Sinne des Wortes. Im nächsten Jahr werden es 30 Jahre seit jenem Tag sein, an dem sein erster Artikel in jW erschien. Er ist hartnäckig, weil ein im Sinne Brechts freundlicher Mensch.
Das hängt mit seinem politischen Kompass zusammen, abzulesen etwa in seinem Band »Krone, Kreuz und Krieger« (2011) über die koloniale Hinterlassenschaft auf den Philippinen. Allerfrömmst katholisch seit Jahrhunderten Muslime niedermachen, zwischendurch Nazis und Falangisten päppeln und sich 1898, vorm Raub der Inseln aus dem Kolonialreich Spaniens, vom US-Präsidenten William McKinley sagen lassen: »Und eines Nachts überfiel es mich (…) und ich entschied: (…) dass uns nichts anderes übrigblieb, als sie alle zu übernehmen, die Filipinos zu erziehen, sie emporzuheben, zu zivilisieren und zu christianisieren.« Werning nannte so etwas zu Recht ein »Dokument, das möglicherweise zu den am meisten grotesken der Weltgeschichte zählt«. Beim US-Zivilisieren blieb es ja auch im wesentlichen. 2020 erschien Wernings Gesprächsband mit José Maria Sison, dem ins niederländische Exil getriebenen Gründungsvorsitzenden der Kommunistischen Partei der Philippinen: »Ein Leben im Widerstand«. Niemand außer Werning beleuchtet hierzulande kontinuierlich diese Gegenseite der historischen Medaille.
Und dann Korea. Das mit Du-Yul Song verfasste Buch »Korea. Von der Kolonie zum geteilten Land« von 2012 ist eines der besten deutschsprachigen Bücher zur Kolonial- und Kalter-Krieg-Geschichte des Landes, das gemeinsam mit der DDR-Koreanistin Helga Picht herausgegebene »Brennpunkt Nordkorea« (2018) angesichts der noch gestiegenen Kriegsgefahr so wichtig wie vor sechs Jahren.
Herzlichen Glückwunsch und auf viele Jahre!
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