»Leere Shoppingcenter sind Ruinen der kapitalistischen Stadt«
Interview: Oliver RastBeginnen wir mit einer steilen These, einer These von Ihnen: Abgeordnete können sich im Parlament radikalisieren. Bei Ihnen soll das so gewesen sein. Pardon, wie geht das?
Also, dazu muss ich etwas ausholen. Ich bin ja im Osten, in Weißenfels im Bezirk Halle, aufgewachsen. Später, 2002, in die Ostpartei schlechthin eingetreten, in die damalige PDS. Ich hatte, so wie viele Ossis, eigentlich immer ein sehr positives Staatsverständnis, weshalb für mich die pragmatische Parlamentsarbeit immer eine zutiefst sinnvolle Sache war.
Und was war der Auslöser zum Rebellischwerden als Mandatsträgerin?
Nun, nach 20, 22 Jahren Politik habe ich einiges gesehen, viele politische Volten, Konflikte und Debatten bearbeitet, viele Wahlen gewonnen und auch manche verloren. Ich habe Regierungen miterkämpft und andere auch aus guten Gründen versucht zu verhindern. Ich habe Leute in zugespitzten Abstimmungen umfallen sehen, habe andere Leute in größten Widerständen stehen sehen. Viel Realpolitik im kleinen und kleinsten. Hautnah mitzuerleben, wie Staatsapparate funktionieren und Kapitalinteressen darin manifester Bestandteil sind, und dass Machtpolitik entscheidend ist. Das muss jeden politischen Menschen mit Verstand und Gefühl radikalisieren.
Hm, weil …?
Weil die Wut auf der Straße immer größer wird und wir als Partei nicht einfach nur Schmiermittel und Scharnier sein können. Wir müssen den Druck der Straße, und daran habe ich immer geglaubt, auch in Regierungshandeln übersetzen, linke Politik radikal gegen Kapitalinteressen durchsetzen. Nehmen wir als Beispiel den Mietendeckel und sein Zustandekommen, dafür brauchst du einen klaren Kompass, musst auch bereit sein, miese Medienkampagnen auszuhalten und im Notfall Regierungen aufzukündigen und in krassen Auseinandersetzungen Widerstand zur Durchsetzung der Forderungen leisten. Ich habe mich spätestens beim Mietendeckel wirklich entschieden, auf welcher Seite ich stehe.
Okay, zu wissen, auf welcher Seite der Barrikade man steht, beeinflusst auch durch das Elternhaus?
Ja, ich komme aus einer sehr politischen Familie und habe eine klassische Ostbiographie. Meine Mutter hat 1989 die SED-Eliten entmachtet, die PDS mitaufgebaut und kämpft bis heute konsequent für einen emanzipatorischen und einen demokratischen Sozialismus. Und meine Mutter hat bis zu unserem Umzug nach Falkensee westlich von Berlin die rote Fahne am 1. Mai immer aus dem fünften Stock im Plattenbau gehängt. Ich meine als einzige, wirklich als einzige, ich glaube, in ganz Weißenfels, und ich denke, deswegen bin ich auch so.
Vom mitteldeutschen Chemiedreieck Leuna–Buna–Bitterfeld ins direkte Umland Berlins, das klingt nach einem Kontrastprogramm, einem Kulturschock?
Absolut. Von der Platte mit viel Arbeitslosigkeit, Armut und Perspektivlosigkeit in den 90er Jahren im alten Industrieherz der DDR in den Speckgürtel Berlins. Aus einer der ärmsten Gegenden Deutschlands in den prosperierenden Vorort Berlins. Plötzlich dachte ich, hier ist die Welt wenigstens in Ordnung, und es gibt eine gute Perspektive. In Falkensee habe ich aber auch die Härte Suburbia kennengelernt, die sozialen Kontraste zwischen Einfamilienhausgärten und fehlenden Sozialwohnungen für die jungen Leute.
Und dann der Weg in die Kommunalpolitik?
Richtig, mit 18 habe ich das erste Mal für die Stadtverordnetenversammlung in Falkensee kandidiert und war dann die jüngste Stadtverordnete. Dort habe ich mich vor allem mit Stadtentwicklungspolitik befasst. Und das ist eben genau dieses Zusammenspiel: Ich komme sozusagen aus dem tiefsten Osten, aus der Platte, bin dann in diesen Speckgürtel gezogen, habe dort Kommunalpolitik und Stadtentwicklung in einer stark wachsenden Gartenstadt gelernt, und das hat mich dann zur Stadtforschung gebracht. Also zur Frage, warum manche Städte wachsen und andere Städte schrumpfen. Nach vielen Jahren der Forschung und der Realpolitik kann ich das auch ganz klar beantworten: Es sind die Kapitalverhältnisse und die Logik der »unternehmerischen Stadt« – Konkurrenz und Standortwettbewerb statt Daseinsvorsorge und solide Kommunalfinanzen, genau das ist das Problem …
… wozu wir gleich beispielhaft kommen. Berlins sozialdemokratischer Bausenator Christian Gaebler hat jüngst verkündet, dass es 2024 einen Höchststand nach zehn Jahren an Baugenehmigungen für den staatlich geförderten sozialen Wohnungsbau in der Hauptstadt gegeben hat. Rund 5.100 bewilligte Wohneinheiten …
… die neu gebaut werden sollen. Zunächst sind das Anträge, Förderanträge, mehr nicht. Das Gerede von Trendwende bringt uns da gar nicht weiter. Denn es ist ein ganz schlimmer Zustand, was die Wohnungs- und Mietenmisere in Deutschland anbelangt. Es fallen jährlich massig Wohnungen aus der Sozialbindung. Das liegt daran, dass die Sozialwohnungspolitik der Bundesrepublik immer eine war von Kapitalanlagen. Leute haben Geld angelegt und für eine gewisse Zeit in sozialen Wohnungsbau investiert, anstatt staatliche Sozialwohnungen für die Ewigkeit zu bauen.
Aber wie lässt sich bezahlbarer, dauerhaft preis- und belegungsgebundener Sozialbau realisieren, etwa in Berlin?
Ich habe Bausenator Gaebler und seinem Vorgänger in den vergangenen Jahren viele Angebote gemacht, wie wir mehr sozialen Wohnungsbau, also viel mehr Sozialwohnungen bekommen können. Und ich sage ganz klar: Wir sollten in der Innenstadt auf landeseigenen Grundstücken, wie am Molkenmarkt und auf dem Dragoner-Areal, eigentlich nur noch zu einhundert Prozent Sozialwohnungen bauen. Dann hätten wir in kommunaler Regie auf kommunalen Grundstücken schon mal deutlich mehr Sozialwohnungen. Und wir hätten vor allem wieder eine viel höhere Sozialwohnungsquote in der Innenstadt. Denn wir dürfen die Innenstadt nicht den Reichen überlassen. Und das ist eine Frage sozialer Gerechtigkeit innerhalb der Stadt, dass wir die krasse Verdrängungsspirale stoppen, ins Gegenteil verkehren.
Gehen wir auf die Bundesbühne. Der baupolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag, Jan-Marco Luczak, forderte gegenüber jW mehrfach, Genehmigungsverfahren bei Bauanträgen zu beschleunigen, zu digitalisieren, ferner bürokratische Bauvorschriften und -standards zu entschlacken. Was spricht dagegen?
Vorweg, Luczak hat wohl am ehesten den Titel »Zwangsräumungsminister« verdient. Er ist der personifizierte Angriff auf alle Mieterinnen und Mieter in Deutschland. Dieser Mann hat höchstpersönlich auf dem Gewissen, dass unsere Mieten steigen. Luczak hat höchstpersönlich den Mietendeckel weggeklagt. Der hat höchstpersönlich die Deregulierung des Mietrechts in den zurückliegenden Jahren vorangetrieben. Dieser Mann ist das Gegenteil von radikalen Lösungen, er ist ein radikaler Kapitalist. Das, was Rechte, und damit meine ich auch Jan-Marco Luczak, im Sinne von Kapitalinteressen immer wieder als Radikallösungen vorschlagen, sind ja vor allem radikale Antworten gegen die Armen.
Beispiele, bitte …
Wenn wir uns mal diese vielbeschworene Entschlackung von Vorschriften anschauen, dann sind das genau die gleichen Argumente, mit denen man damals öffentliches Eigentum verkauft hat. Also, der große Umbau in der Wohnungspolitik im Namen des Umbaus der Städte und der Sanierung der kommunalen Wohnungsunternehmen, im Geiste der »schwarzen Null« und der Privatisierung der Daseinsvorsorge der vergangenen 30 Jahre, hat uns stark geschadet. Er begann spätestens 1990 mit der Abschaffung der Wohnungsgemeinnützigkeit noch unter Helmut Kohl. Und die CDU hat wirklich genau in diesem Geiste bis heute die Wohnraumkrise systematisch verschärft. Beispielsweise durch den Abriss von Wohnungen in Marzahn, Hellersdorf und anderen Teilen Ostdeutschlands nach 1990. Immer mit der absurden Begründung, man müsse den Wohnraum verknappen, damit das dem Bedarf gerecht würde. Wir sehen jetzt, wohin das geführt hat.
Aber Ihre Partei …
Einen Moment, ich möchte noch mal zum Punkt der Entschlackung des Baurechts. Das ist wirklich die größte, dreisteste Lüge, die genauso im Kontext von Deregulierung und Privatisierung steht wie alles, was wir seit drei Jahrzehnten erleben. Denn das Baurecht ist das einzige Rechtsgebiet in der Bundesrepublik, was es noch gibt, mit dem man Enteignungen zur Sicherung öffentlicher Interessen gegen das Eigentumsrecht durchsetzen und mit dem man das Öffentliche regeln kann. Und diese Deregulierungen führen jetzt eben dazu, dass vor allem Investoreninteressen durchgesetzt werden gegen öffentliche Planungsinteressen.
Das bedeutet?
Mit dieser »Beinfreiheit für Investoren« unter dem Deckmantel des Schneller-bauen-Dogmas werden am Ende vor allem wieder Eigentums- und Luxuswohnungen gebaut werden können. Immer mit der Erzählung, man würde hier öffentliches Interesse, also Wohnungsneubau für alle Menschen, schützen. Das ist nicht der Fall, und deswegen gehört diese Politik des »Bauen, bauen, bauen!« auf den Müllhaufen der Geschichte.
Jetzt aber, mit Verlaub: Die Partei Die Linke hat 2004 in der »rot-roten« Senatskoalition unter Klaus Wowereit, SPD, knapp 66.000 Sozialwohnungen der damaligen GSW an eine Investorenclique verscherbelt. Das dürfte nach wie vor eine große politische Hypothek Ihrer Partei sein, oder?
Ja, diesen schweren, schweren Fehler haben wir immer wieder eingeräumt. Ich zumindest. Andere Leute, die daran mitschuldig sind, haben jetzt die Partei verlassen. Möglicherweise auch, weil ihnen der radikale Kurs vor allem in der Stadtentwicklungspolitik, den wir in den vergangenen Jahren gefahren sind, nicht mehr passt.
… ein Kurs, mieten- und wohnungspolitische Kampagnen zu begleiten, teils mitanzuschieben.
Sicher, und deshalb hat sich die Ausrichtung der Linken in Berlin wirklich grundsätzlich erneuert und auch radikalisiert für eine ganz klare antikapitalistische Stadtpolitik. Dazu habe ich einen entscheidenden Beitrag geleistet in den letzten zehn Jahren. Und das hat auch was damit zu tun, dass wir eine Antwort darauf geben, dass unsere Partei damals diesen schwerwiegenden Fehler der Privatisierung mitgetragen hat. Das darf uns nie wieder passieren. Daher setzen wir uns für ein Privatisierungsverbot in der Landesverfassung ein. Und sowieso gilt, den Volksentscheid »Deutsche Wohnen und Co. enteignen« umzusetzen.
Sie fordern ein kommunales Wohnungsbauprogramm, koordiniert mittels eines Berliner Bauhüttenkombinats. Was ist das?
Ein weiteres Ziel des Volksentscheids war es ja, die sechs landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften, die LWU, unter dem Dach einer Anstalt öffentlichen Rechts zu bündeln. Und damit die bislang als eigenständige GmbHs arbeitenden LWU sozial zu regulieren und so deren Aufgabe einer sozialen Wohnraumversorgung für breite Schichten der Bevölkerung durchzusetzen. Dass SPD, CDU und AfD diesen Teil des Mietenvolksentscheids bekämpft haben, ist logisch. Sie wollen keinen radikalen Umbau hin zu einer kommunalen Wohnraumversorgung durch die landeseigenen Unternehmen. Auch deswegen nicht, weil das Parteifreunde betreffen würde, die in Vorständen viel Geld verdienen. Vor allem aber, weil die Immobilienwirtschaft insgesamt ein Interesse an steigenden Mieten hat und die LWU dem im Wege stehen könnten, wenn ein Großteil des Berliner Wohnraums preiswert ist und die Marktpreise nach unten korrigiert.
Und was hat das mit Ihrem Vorschlag für eine Berliner Bauhütte zu tun?
Das weitere Problem ist, dass die LWU schon vor Jahrzehnten aufgehört haben zu bauen. Weil sich die Chefs möglicherweise gesagt haben: Na ja, es gibt die privaten Bauunternehmer, die machen das alles super schlüsselfertig, und wir müssen es nur bezahlen und haben dann »geliefert«. Heißt für die LWU weniger Stress, und sie brauchen nur noch die Bestände zu bewirtschaften. Der Haken an der Sache: Diese Marktaufteilung funktioniert nicht auf Dauer, schon gar nicht in der Krise, wenn die Baukosten stark steigen und die private Bauwirtschaft aufgrund der Zinsen und Inflation Neubauprogramme einstampft. Und das reißt natürlich die LWU mit in die Krise. Unsere Antwort ist, dass wir eigene, kommunale Baukapazitäten brauchen einschließlich des Fachpersonals, um gut und günstig Sozialwohnungen zu bauen und die Bauwende voranzutreiben, für den sozialen und ökologischen Stadtumbau der Zukunft. Dafür haben wir das Konzept einer Berliner Bauhütte entwickelt.
Sie reden gleichfalls von einer Nahversorgungskrise, selbst in einer Metropole wie Berlin …
Mit Recht. Hier können wir sehr konkret sehen, was kapitalistische Stadtverwertung heißt. Selbst in Berlin. In einer Großstadt, wo man dachte, hier ist alles irgendwie gut erreichbar. Aber inzwischen erleben wir, dass wichtige Versorgungsinstitutionen wie Ärzte und Apotheken wegfallen. Sogar Bargeldautomaten fehlen, und Rentnerinnen und Rentner kommen nicht an ihre Rente. All das fällt weg, weil die Preistreiberei bei den Mieten längst den Gewerbesektor erreicht hat. Gewerberäume werden unbezahlbar mit der Folge, dass allein in Berlin mindestens 1,5 Millionen Quadratmeter Bürofläche leerstehen.
Aber wie akut ist diese Notlage der Versorgung, von der Sie sprechen?
Diese Krise weitet sich gerade massiv aus, besonders in Ostberlin. Das hat auch was mit der Einkommensungerechtigkeit zu tun zwischen Ost und West. Und einfach damit, dass in Ostberlin viel weniger Leute privat versichert sind. Wichtig ist: Das »Bauen, bauen, bauen!«-Dogma à la Luczak ist die Kampfansage an die gute Stadtplanung für alles, was wir über das Wohnen hinaus brauchen. Kitas, Schulen, Begegnungsorte, Grünräume, Parks, Badestellen, Kneipen, alles mögliche. Eine soziale Stadt ist eben nur über harte Regulierung abzusichern. Hinzu kommt, die Nahversorgungskrise ist auch deswegen ein riesiges Thema, weil sie mit der Mobilitätskrise im Quartier zusammenhängt.
Wie genau?
Gucken wir in meinen Abgeordnetenhauswahlkreis nach Treptow in den Ortsteil Plänterwald. Dort wohnen viele Menschen, die alt sind, zum Teil zwischen 80 und 90 Jahre – und sie sind körperlich oft sehr immobil. Um Besorgungen zu machen, um Lebensmittel einzukaufen, um zur Arztpraxis zu gelangen, nutzen sie ihr Auto. Das heißt, sie würden ihr Auto möglicherweise auch stehenlassen. Können sie aber nicht, weil sie einfach Angst haben, beispielsweise nicht mehr zum Arzt zu kommen. Es braucht eine fußläufige, wohnortnahe Versorgung, die sogenannte 15-Minuten-Stadt, Distanzen, die du in Pantoffeln schaffst.
Und dabei könnten teils oder komplett leerstehende Shoppingmalls eine wichtige Rolle spielen als sogenannte Sorgezentren?
Stimmt unbedingt. Die Shoppingcenterdichte in Berlin ist mit die höchste bundesweit, nach 1990 sind die Center besonders im Ostteil wie blöde gebaut worden. Bevorzugt auf privatisierten Flächen der Bahn oder BVG. Oft in bester Lage mit eben auch hohen Bodenpreisen nach dem vierten, fünften Weiterverkauf durch Investoren. Tja, und dann fällt denen nichts besseres ein, als dort richtig tolle Bürotürme hinbauen zu wollen. Und ich sage: Nein, solche unsinnigen Bauvorhaben braucht niemand. Dagegen organisiere ich den Protest.
… Protest, um aus den eintönigen Konsumtempeln Zentren des täglichen Bedarfs zu machen …
Ja, es geht dabei um eine neue Idee von Stadt. Die leergefallenen Shoppingcenter sind gewissermaßen Ruinen der kapitalistischen Stadt der Postmoderne. Damit ist aber auch die Chance verbunden, die Stadt neu zu programmieren und Platz zu schaffen für Orte, die wir wirklich brauchen. Und es ist auch eine Idee von feministischer Stadtplanung, Sorgearbeit in den Mittelpunkt zu stellen. Das heißt, wir schaffen Orte, an denen Menschen, die zum Beispiel pflegende Angehörige sind, gute Versorgung bekommen. Eine Idee einer Stadt, in der wir uns gut im Alltag bewegen können, die nicht nur Konsumterror ermöglicht, sondern in der wir Orte haben, wo wir uns auch ohne Geld begegnen können, und die vor allem das Leben wertschätzt.
Themenwechsel, oder auch nicht: Sie kandidieren für den Bundestag in Marzahn-Hellersdorf. Den Wahlkreis haben Sie von Petra Pau übernommen, die bei der vergangenen Bundestagswahl gegen Mario Czaja von der CDU unterlag. Die Partei Die Linke steht in Umfragen bundesweit bei konstant drei Prozent. Ein Wiedereinzug in den Bundestag scheint abermals nur über Direktmandate möglich. Wie zuversichtlich sind Sie?
Ich trete als profilierte Landespolitikerin an, die für eine unbequeme, für eine radikale, rebellische, feministische Stadtpolitik steht. Und klar, wir kämpfen um das Direktmandat. Wir gehen jetzt in die Platte, gehen frontal rein, werden unzählige Haustürgespräche führen und dabei sagen: Mieten runter, Gesundheitsversorgung für alle. Wir wollen die Stadt der kurzen Wege und die Sicherung des guten Lebens im Quartier. Bei Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus konnte ich bereits dreimal in Treptow das Direktmandat erringen, immer gegen den Trend. Zur Überraschung aller, auch meiner eigenen Partei.
Nun ringen Sie aber in einer Trabantenstadt mit rund 200.000 Wahlberechtigten um ein Mandat, wo der Erststimmenanteil für Die Linke von Wahl zu Wahl kontinuierlich gesunken ist …
Für mich ist es eine besondere Ehre, in Marzahn-Hellersdorf antreten zu dürfen. Der Bezirk ist die Perle der Ostmoderne, im Prinzip die Krone des Städtebaus der DDR. Hier treffen meine biographischen Erfahrungen aus der Plattenbaukindheit und Jugend in der Einfamilienhaussiedlung aufeinander – das ist wirklich toll. Und ich freue mich auf die Auseinandersetzungen im anstehenden Wahlkampf, ich freue mich, dort neue linke Mehrheiten zu organisieren, und erhoffe mir, dass wir damit auch eine Allianz gegen den Baufilz der CDU und die Faschos der AfD aufbauen können – in der Platte und im Siedlungsgebiet gleichermaßen.
Radikal sein, radikal bleiben ist auch eine Frage von Kondition, die haben Sie?
Also, ich habe auf jeden Fall extrem an Tempo zugelegt in den letzten Jahren, denn das Arbeitspensum als direkt gewählte Abgeordnete und stellvertretende Landesvorsitzende ist sehr hoch. Ich spüre aber immer noch dieses Feuer in mir, und was mich tagtäglich antreibt, sind einfach die zutiefst ungerechten Verhältnisse und die guten Ideen, wie es anders sein könnte. Wir haben als sozialistische Partei die Verantwortung, gemeinsam mit den Menschen eine Perspektive zu schaffen und den Kapitalismus zu überwinden. Dabei bleibe ich!
Katalin Gennburg (Die Linke) ist Sprecherin für Stadtentwicklung, Bauen, Umwelt und Tourismus ihrer Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus. Bei der Wahl für den Bundestag kandidiert Gennburg im Wahlkreis Marzahn-Hellersdorf
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Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.
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