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Aus: Ausgabe vom 23.12.2024, Seite 1 / Titel
Anschlag Magdeburg

Neonazis obenauf

Das Attentat von Magdeburg bringt die rechte Szene weit über die BRD hinaus in Aufstandsstimmung. AfD mobilisiert mit Wahnbehauptungen
Von Arnold Schölzel
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Obwohl der Attentäter sich als islamophober AfD-Fan zu erkennen gab, nutzten Faschisten am Sonnabend in Magdeburg den Anschlag für ihre Zwecke

Am Freitag abend fuhr ein schwarzer BMW mit hoher Geschwindigkeit auf den Weihnachtsmarkt in Magdeburg – fünf Menschen starben, mehr als 200 wurden verletzt. Der Fahrer Taleb Al-Abdulmohsen, ein in Bernburg arbeitender Psychiater saudiarabischer Herkunft, wurde kurz darauf neben dem Tatfahrzeug festgenommen. Nach einer Vernehmung am Sonnabend sitzt er seit der Nacht zum Sonntag in Untersuchungshaft. Nach Angaben der Polizei hatte er schon vor Jahren mit einem Anschlag gedroht. Motiv: Deutschland sei schuld an der vermeintlichen Islamisierung Europas. Er sah sich offenbar als Parteigänger der AfD.

In den »sozialen Medien« wurde unmittelbar nach der Tat insbesondere von AfD-Politikern eine Welle von Fremdenhass und Hetze gegen Migranten losgetreten, insbesondere auf der Plattform X des sich als rechter Einpeitscher betätigenden Multimilliardärs Elon Musk. Musk nimmt bereits vor dem Amtsantritt von US-Präsident Donald Trump als dessen wichtigster Berater Einfluss auf die Regierungsgeschäfte in Washington; inzwischen orchestriert er über X rechte Bewegungen in verschiedenen Ländern. Er hatte am Freitag vor dem Attentat zu einem Video der rechten deutschen »Influencerin« Naomi Seibt geschrieben: »Nur die AfD kann Deutschland retten«, was ihm den Dank der AfD-Kovorsitzenden Alice Weidel einbrachte. Nach dem Anschlag erklärte Musk, die AfD sei die »einzige Hoffnung«. Er schrieb in einer Serie von Postings: »Scholz sollte sofort zurücktreten«, und fügte hinzu: »Incompetent fool« (etwa: unfähiger Narr). Die Aufenthaltsgenehmigung für Al-Abdulmohsen statt dessen Abschiebung, wie von Saudi-Arabien mehrfach verlangt, nannte er »suizidale Empathie der deutschen Regierung«.

In diesem Tenor überschwemmten Hassbekundungen das Netz. Der österreichische Neofaschist Martin Sellner, Kopf der sogenannten Identitären Bewegung, fabulierte zum Beispiel von elf Toten in Magdeburg, von Sprengstoff in Autos, von mehreren Tätern auf der Flucht und erklärte den Attentäter für einen Syrer. Die »sozialen Medien«, insbesondere X, wirkten offenbar in dieser Dimension erstmals als Organisator. Bereits am Sonnabend abend versammelten sich laut dem Bericht eines FAZ-Reporters am Magdeburger Hauptbahnhof mehrere hundert Neonazis, die Passanten anpöbelten und Parolen wie »Nationaler Sozialismus!« skandierten. Aufgerufen hatte die Splitterpartei »Die Heimat«, ehemals NPD. Laut MDR versammelten sich die Demonstranten auf dem nahegelegenen Hasselbachplatz und forderten vor allem »Remigration« und »Widerstand«.

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Magdeburg, 21. Dezember: Einsatzkräfte nach dem Anschlag auf den Weihnachtsmarkt

Das Bündnis gegen rechts »Miteinander« und der DGB Sachsen-Anhalt kritisierten die Versuche, den Anschlag politisch auszunutzen. In einer Erklärung hieß es am Sonntag: »Jetzt ist nicht die Zeit für Polarisierung oder gar politische Indienstnahme.« Die Menschen der Stadt Magdeburg und alle brauchten »eine Atempause, eine Zeit der Besinnung, um das Geschehen zu verarbeiten«.

Die AfD verweigert sich dem. Sie hat für Montag (17 Uhr) zu einer Kundgebung auf dem Magdeburger Domplatz mit anschließendem Trauermarsch eingeladen. Dazu werden Weidel sowie mehrere AfD-Landespolitiker erwartet. In der Einladung heißt es, die schreckliche Tat zeige auf dramatische Weise die Gefahren der derzeitigen Einwanderungspolitik. Parallel zur AfD-Veranstaltung hat eine Initiative namens »Gib Hass keine Chance« zu einer Menschenkette um den Alten Markt aufgerufen.

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