Die Armut der Jüngsten
Von Gudrun GieseFür die einen gibt es fünf Euro mehr Kindergeld im Monat, was durch die Kostensteigerungen bei Miete, Sozialversicherung und Energie schnell ausgegeben sein dürfte. Die anderen können sich über ein kräftiges Plus beim steuerlichen Kinderfreibetrag freuen und real mehr Geld für sich einstreichen. Bundestag und Bundesrat haben am vergangenen Donnerstag und Freitag neben einer Erhöhung des Freibetrags bei der Einkommenssteuer die Anhebung von Kindergeld und Kinderfreibetrag beschlossen. Im Parlament fand sich dafür eine ganz große Koalition aus SPD, Bündnis 90/Die Grünen, FDP, CDU/CSU sowie AfD. Dagegen stimmte allein die parlamentarische Gruppe Die Linke. Die BSW-Gruppe blieb der Abstimmung fern. Auch die Bundesländer stimmten mehrheitlich dem milliardenschweren Entlastungspaket für die kommenden Jahre zu.
Das Kindergeld wird im Januar um fünf auf 255 Euro monatlich erhöht. Ein Jahr darauf gibt es weitere vier Euro. Der Kinderfreibetrag bei der Einkommenssteuer steigt um 60 auf 6.672 Euro. Für Familien mit geringem Einkommen soll es künftig einen um fünf Euro erhöhten Kindersofortzuschlag von 25 Euro geben. Die Entlastungen wirken sich unterschiedlich aus. Die Bündnisgrünen haben vorgerechnet, dass eine vierköpfige Familie mit einem Jahreseinkommen von 60.000 Euro durch Erhöhung des Grundfreibetrags und erhöhtes Kindergeld um 306 Euro entlastet werde. Damit sind die vielen anstehenden Erhöhungen etwa bei der Krankenversicherung oder bei der Miete kaum kompensiert. Für die Bundesländer bedeutet das beschlossene Maßnahmenpaket jährliche Einnahmenverluste von durchschnittlich 5,4 Milliarden Euro, wie Tagesschau.de am vergangenen Donnerstag berichtete. Insgesamt summieren sich die Entlastungen für die öffentlichen Kassen nach Berechnungen des Bundesfinanzministeriums 2025 auf 7,2 Milliarden Euro, in den Folgejahren auf eine Größenordnung von 13,5 bis 14,8 Milliarden.
Die amtierende Rumpfregierung verspricht sich von den Entlastungen einen Nachfrageschub. Bundesfinanzminister Jörg Kukies (SPD) betonte im Bundesrat am Freitag, dass die verschiedenen Maßnahmen »die Zurückhaltung beim Konsum mindern, die Konsumnachfrage stärken und damit die gesamtwirtschaftliche Entwicklung fördern« würden. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) verbuchte die Abstimmung in Bundestag und -rat als Erfolg für sich, da er das von Exfinanzminister Christian Lindner (FDP) maßgeblich vorbereitete Entlastungspaket noch vor Weihnachten durchgebracht hat. Lindner wollte ursprünglich das Kindergeld nicht erhöhen. Allerdings ist der Kinderfreibetrag generell lukrativer, kommt aber nur Familien mit hohen Einkommen zugute. Das zuständige Finanzamt prüft, für wen Kindergeld oder der Kinderfreibetrag in Frage kommt. Und der Freibetrag ist bereits zum 1. Januar dieses Jahres von 6.024 auf 6.384 Euro angehoben worden und steigt nun auf 6.612 Euro.
Eigentlich hatte Bundesfamilienministerin Elisabeth Paus (Bündnis 90/Die Grünen) in der vorzeitig endenden Legislaturperiode eine »Kindergrundsicherung« für alle Kinder einführen wollen. Doch das Thema gehörte zu den vielen Streitthemen der Ampel und entsprechend wurde der Gesetzentwurf nicht verabschiedet. Vorhandene Leistungen sollten zusammengefasst und aufgestockt werden, denn immerhin gilt derzeit jedes fünfte Kind in der Bundesrepublik als arm. Die neue Leistung sollte Kinder schneller, einfacher und direkter vor Armut schützen.
Die frühere Regierung hatte noch in ihren Koalitionsvertrag geschrieben, dass »jedes Kind die gleichen Chancen haben« soll. Realität sei das aber noch lange nicht. »Wir wollen mehr Kinder aus der Armut holen, werden mit der Kindergrundsicherung bessere Chancen für Kinder und Jugendliche schaffen und konzentrieren uns auf die, die am meisten Unterstützung brauchen.« Wahre Worte, die mittlerweile in Vergessenheit geraten sind. So sagte der Bundestagsabgeordnete Sven-Christian Kindler, Obmann im Haushaltsausschuss für die Bündnisgrünen, nach der Verabschiedung der Steuerentlastungen: »Die Einigung sorgt für ein deutliches Plus für Familien und die arbeitende Mitte in Deutschland.« Wobei sich angesichts der vielen Firmeninsolvenzen und des absehbaren Niedergangs großer Teile der Industrie doch die Frage stellt, wen sich Politiker vorstellen, wenn sie von »arbeitender Mitte« reden.
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