Teures Essen und Trinken
Von Gudrun GieseDas Statistische Bundesamt (Destatis) präsentierte im Sommer eine Sonderauswertung zur langfristigen Preisentwicklung bei Lebensmitteln. Zwischen Januar 2020 und Mai 2024 verteuerten sie sich im Durchschnitt um knapp ein Drittel. Drastisch fielen die Entwicklungen bei einzelnen Produkten, gerade Grundnahrungsmitteln, aus. Der Zuckerpreis ging in dem Zeitraum um 80 Prozent hoch, Mehl und weitere Getreideerzeugnisse wurden um rund die Hälfte teurer, ebenso Kartoffeln. Ein Drittel mehr als Anfang 2020 kosteten Brot und Brötchen, Vollmilch knapp 28 Prozent und Kaffee etwa zwanzig Prozent. Die Gründe für die Preiserhöhungen sind unterschiedlich.
Beim Olivenöl, das zwischen Januar 2020 und Mai 2024 mehr als doppelt so teuer wurde, wirkten sich Ernteausfälle in den Mittelmeerländern aus. Nach Angaben der International Olive Council (IOC) ist die weltweite Olivenölproduktion von 3,42 Millionen Tonnen im Erntejahr 2021/22 auf 2,57 Millionen Tonnen ein Jahr darauf zurückgegangen, berichtete Tagesschau.de. Für das aktuelle Erntejahr wurde mit einem Rückgang auf 2,41 Millionen Tonnen gerechnet. Die Preissteigerungen treffen dabei spanische Konsumenten härter als Bundesbürger, denn dort ist das viel eingesetzte Produkt seit 2021 um das Dreifache teurer geworden. Immerhin hat die Regierung in Madrid die Mehrwertsteuer auf Olivenöl für die Zeit von Juli bis September 2024 auf null gesetzt. An den zurückgehenden Olivenernten als Folge des globalen Klimawandels ändert das freilich nichts.
Für den Preisanstieg bei zahlreichen Lebensmitteln gibt es weitere Gründe. So fand die Monopolkommission in ihrem jüngsten Hauptgutachten heraus, dass es im Lebensmitteleinzelhandel an Wettbewerbsdruck fehle. Sinkende Kosten im Einkauf der Waren würden nicht an Endkunden weitergegeben. Alles deute auf »oligopolistisches Verhalten hin«, hieß es. Seit längerem dominieren vier Konzerne diese Handelssparte: Aldi Nord und Süd, die Schwarz-Gruppe mit Lidl und Kaufland, Rewe mit seiner Discountertochter Penny sowie Marktführer Edeka mit Netto stehen für rund 85 Prozent des gesamten Marktes. Wie bei Oligopolen üblich, tun sich die verbliebenen Akteure dieses Sektors gegenseitig nicht weh und gestalten ihre Preise weitgehend identisch. So ergab eine Studie mit der Preisvergleichsapp »Smhaggle« im Auftrag des Handelsblatts Ende Oktober gleiche Preise für identische Produkte bei den großen Vier. Nuss-Nougat-Creme und Schokokeksrollen waren gleich teuer, auch die Erhöhungen verliefen synchron. »Der angeblich harte Preiswettbewerb im deutschen Lebensmittelhandel ist heute nur noch Show«, zitierte das Handelsblatt Marc Houppermans, der früher Geschäftsführer bei Aldi Nord war und heute Berater bei »Discount Retail Consulting« ist.
Die Verbraucherzentralen stellten Mitte August dieses Jahres klar, dass zwar auch höhere Kosten für Energie, Dünger, Futtermittel, Personal sowie Missernten mitursächlich für die Preissteigerungen waren. Doch längst nicht alle Verteuerungen der jüngsten Vergangenheit ließen sich so erklären. Politik und Kartellamt sollten kritischer prüfen, »ob Unternehmen die aktuelle Lage nutzen, um die eigenen Erträge zu verbessern«. Da aber auch die Verbraucherzentralen nicht glauben, dass die Lebensmittelpreise wieder auf das frühere Niveau zurückgehen, müssten sich die Konsumenten auf dauerhaft hohe Ausgaben für diesen Posten im Budget einstellen.
Doch was ist mit den Menschen, deren Einkommen schon lange nicht mehr Schritt hält mit den drastischen Erhöhungen bei Miete, Energiekosten und Lebensmitteln? Nahezu jeder fünfte Bundesbürger ist nach aktuellen Daten arm oder von Armut bedroht. Wer von Bürgergeld, Grundsicherung oder Niedriglöhnen lebt, muss einen sehr hohen Anteil des Einkommens für die Grundbedürfnisse aufwenden. Oft reicht das Geld nicht, um bis zum Monatsende Lebensmittel zu kaufen. Einrichtungen wie die Tafeln oder Suppenküchen können den Andrang kaum noch bewältigen. Politiker im beginnenden Wahlkampf haben keine brauchbaren Antworten. Da wird von Begrenzung des Bürgergeldes und Arbeitspflicht (CDU) schwadroniert, die SPD verspricht sich Wählerstimmen, indem sie die Mehrwertsteuer für Lebensmittel von sieben auf fünf Prozent senken will, was allenfalls eine »Ersparnis« von wenigen Euro im Monat bedeutet, möglicherweise aber auch gar nichts, wenn der Handel die Differenz selbst einstreicht.
Bleiben die Forderungen von Verbraucherzentralen und Sozialverbänden nach deutlicher Anhebung des Bürgergeldes, Sonderzahlungen für Menschen mit niedrigen Einkommen, Kostensenkungen für Gemeinschaftsverpflegung, Abschaffung der Mehrwertsteuer auf Obst, Gemüse und Hülsenfrüchte sowie Unterstützung von Tafeln (Verbraucherzentralen) oder zudem Schaffung existenzsichernder Löhne, angemessene Renten, Verbesserung sozialer Leistungen und Umverteilung durch stärkere Besteuerung großer Einkommen und Vermögen (Sozialverband VdK). Ziemlich unwahrscheinlich, dass etwas davon demnächst umgesetzt wird.
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