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Aus: Ausgabe vom 24.12.2024, Seite 6 / Ausland
Jahresrückblick 2024

Schlinge wird enger

Jahresrückblick 2024. Heute: Kuba. US-Blockade verschärft Folgen von Naturkatastrophen und Energiekrise. Lage so schlimmwie nie
Von Volker Hermsdorf
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Trotz aller Entbehrungen geben die Kubaner ihre Revolution nicht auf: Marsch am 20. Dezember in Havanna

Für Kuba gehörten die vergangenen zwölf Monate zu den schwierigsten seit dem Sieg der Revolution, erklärte Präsident Miguel Díaz-Canel am Freitag zum Abschluss der letzten Parlamentssitzung in diesem Jahr. Trotz enormer Anstrengungen seien die Erfolge bei der Abschwächung der schweren Energie- und Wirtschaftskrise unzureichend, was Anlass für Unzufriedenheit und Selbstkritik gebe, räumte er ein. Allerdings sei die Hauptursache für diese Situation der Wirtschaftskrieg, den die USA mit einer »beispiellosen Systematik und Bösartigkeit« gegen die Insel führten. Trotzdem seien »Anzeichen der Verbesserung« erkennbar, die allerdings noch »begrenzte Auswirkungen« hätten. Nach dieser Rede führten der Staatschef und die Abgeordneten der Nationalversammlung einen Marsch von über einer halben Million Menschen an, die auf der Uferpromenade Malecón der Hauptstadt Havanna für die Beendigung der völkerrechtswidrigen US-Blockade und die Streichung Kubas von Washingtons Liste der »Staatlichen Förderer des Terrorismus« demonstrierten. Das hatte am 30. November zum 32. Mal in Folge auch die UN-Generalversammlung gefordert. Nur die USA und Israel stimmten gegen 187 Staaten, die Kubas Antrag unterstützten.

Neben den US-Sanktionen, die dem Land im vergangenen Jahr – nach Angaben von Außenminister Bruno Rodríguez – wirtschaftliche Verluste in Höhe von mehr als fünf Milliarden US-Dollar zugefügt haben, richteten Erdbeben und Wirbelstürme schwere Schäden an. Straßen, Gebäude und Infrastruktureinrichtungen wurden zerstört, Tierfarmen verwüstet und Ernten vernichtet. Zusätzlich war das nationale Stromnetz dreimal ausgefallen. Energieminister Vicente de la O Levy machte dafür sowohl den durch die Blockade verursachten Mangel an Öl und Diesel als auch den schlechten Zustand der Kraftwerke verantwortlich, denen das Geld zur Beschaffung von Ersatzteilen fehlt. Während es 2023 gelungen war, die Zahl der Stromausfälle gegenüber dem Vorjahr um 32 Prozent zu verringern, sorgte der Rückschlag für Frust und Enttäuschung. Dazu trug auch die zu Beginn des Jahres erfolgte Anhebung der Strom- und Treibstoffpreise bei. In einigen Teilen des Landes war es danach zu vereinzelten Protesten gekommen. Doch die von US-Politikern und westlichen Medien erhofften sozialen Unruhen blieben aus. Statt dessen folgten am 1. Mai landesweit vier Millionen Menschen dem Demonstrationsaufruf des Gewerkschaftsbundes CTC und unterstrichen ihre Forderung zur Beendigung der US-Blockade.

Schritt für Schritt

Im März wurden Ermittlungen gegen den einen Monat zuvor zurückgetretenen Wirtschaftsminister Alejandro Gil wegen »schwerer Fehler« in seiner Amtsführung eingeleitet. Der Mangel an Devisen und Treibstoff habe nicht nur die Stromerzeugung betroffen, sondern sich auf die gesamte wirtschaftliche Entwicklung ausgewirkt, stellte sein Nachfolger Joaquín Alonso Vázquez, fest. So habe die Warenproduktion nur 92,5 Prozent, die Zementherstellung sogar nur 43,2 Prozent der Vorgaben erreicht, und der Tourismus sei rund 24 Prozent unter den Erwartungen geblieben. Auch die Ergebnisse der landwirtschaftlichen Produktion seien enttäuschend. Díaz-Canel begründete vor den Parlamentariern, warum er trotzdem »erste positive Anzeichen« sehe. Denn in der Landwirtschaft, einem Schlüsselsektor für die nationale Entwicklung, seien in diesem Jahr die gewünschten Ergebnisse zwar noch nicht erreicht, die bepflanzbaren Anbauflächen jedoch um 137.000 Hektar erweitert worden, sagte er. Als zweites Beispiel nannte er den Ausbau erneuerbarer Energien – so sollen bis März acht Solarparks in Betrieb genommen werden. Ein drittes Anzeichen für eine langsame Erholung bestehe darin, dass das Haushaltsdefizit in diesem Jahr mit 90 Milliarden Pesos (etwa 3,6 Milliarden Euro) deutlich unter den veranschlagten 147 Milliarden bleibe. »Wir sind damit noch nicht zufrieden, aber es wurden Schritte unternommen, die erste Ergebnisse zeigen«, gab sich der Staatschef optimistisch.

Ob das reicht, falls Donald Trump nach seinem Amtsantritt am 20. Januar, die Kuba-Politik der USA seinem designierten Außenminister Marco Rubio und anderen Hardlinern überlässt, ist ungewiss. Immerhin hatte Trump in seiner ersten Amtszeit den Druck auf Kuba mit 243 neuen Sanktionen und die Aufnahme des Landes in die US-Liste der angeblichen Terrorismusförderer deutlich verschärft. Neben dem erklärten Ziel, »die kubanische Wirtschaft zu erdrosseln«, führte das auch 2024 zu einer extremen Abwanderung von Fachkräften und überwiegend jüngeren Leuten. Mitte Juli teilte das Statistikamt mit, dass die Bevölkerung in diesem Jahr erstmals auf unter zehn Millionen geschrumpft ist.

Trotz der gravierenden ökonomischen Folgen der von Joe Biden bis zuletzt beibehaltenen Maßnahmen, ist es Washington jedoch nicht gelungen, Havanna politisch zu isolieren. Im Gegenteil: Die Ende Oktober erfolgte Aufnahme als Partnerland in die BRICS-Gruppe ist ein außenpolitischer Erfolg und könnte dem Land die Chance eröffnen, sich besser gegen Einschränkungen beim Zugang zum internationalen Finanzsystem wehren zu können. Die Aufnahme Kubas in den Block, der mittlerweile einen deutlich größeren Anteil am Welt-BIP produziert als die westlichen G7-Länder, erfolgte indes nicht aus Solidarität, sondern dient dem gegenseitigen Vorteil. Neben nennenswerten Vorkommen von Nickel, Chrom und Kobalt hat die Insel vor allem eine weltweit anerkannte medizinische Forschung zu bieten. Bei der Entwicklung von Medikamenten und Vakzinen, die vor allem für Länder des globalen Südens wichtig sind, nimmt Kuba eine Spitzenposition ein und ist zudem in der Lage, medizinisches Fachpersonal in jede Ecke der Welt zu entsenden.

Nicht allein

Neben bestehenden regionalen Kooperationen wurden 2024 vor allem die Beziehungen zu China und Russland vertieft. Im Februar besuchte Moskaus Außenminister Sergej Lawrow die Insel. Beim Gegenbesuch seines Amtskollegen Bruno Rodríguez in Moskau erörterten beide im Juni Möglichkeiten zur weiteren Entwicklung der strategischen Partnerschaft. Im März hatte Russland Kuba bereits verbesserte Bedingungen für die Rückzahlung und Umstrukturierung von Schulden in Höhe von 277 Millionen US-Dollar eingeräumt und erstmals die Möglichkeit gewährt, diese Schulden in Rubel zu begleichen, so dass Kuba dafür keine Devisen in US-Dollar oder Euro verwenden muss. Als Reaktion auf die jüngste Energiekrise ließ Wladimir Putin im November 80.000 Tonnen Diesel sowie Ausrüstungen im Wert von 62 Millionen Dollar auf die Insel schaffen und kündigte an, auch Reparatursätze für die entsprechenden Anlagen zur Verfügung zu stellen.

In Lateinamerika gehören das Erdölland Venezuela, aber auch die Wirtschaftsmächte Brasilien und Mexiko weiter zu den wichtigsten und verlässlichen Verbündeten Kubas, während Argentinien sich unter dem ultraliberalen Präsidenten Javier Milei der US-Politik unterwarf. Im April musste die Fluggesellschaft Cubana de Aviación die seit 39 Jahren bestehende Verbindung zwischen beiden Ländern einstellen, weil kubanische Flugzeuge mit Verweis auf »Blockademaßnahmen der Vereinigten Staaten« nicht mehr mit Kraftstoff versorgt wurden. Und als sich die argentinische Außenministerin Diana Mondino in der UN-Generalversammlung der Forderung nach einer sofortigen Beendigung der US-Blockade angeschlossen hatte, wurde sie von Trump-Verehrer Milei umgehend entlassen. Für Kuba ein Hinweis darauf, dass die Schwierigkeiten eher zunehmen werden.

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