Rosa-Luxemburg-Konferenz am 11.01.2025
Gegründet 1947 Dienstag, 24. Dezember 2024, Nr. 300
Die junge Welt wird von 3005 GenossInnen herausgegeben
Rosa-Luxemburg-Konferenz am 11.01.2025 Rosa-Luxemburg-Konferenz am 11.01.2025
Rosa-Luxemburg-Konferenz am 11.01.2025
Aus: Ausgabe vom 24.12.2024, Seite 8 / Ansichten

Cancelopfer des Tages: Peter Tschaikowski

Von Reinhard Lauterbach
08_Port.jpg
Tanz mir den Schwan

Er wisse nicht, warum die russischen Raketenentwickler dem neuen Projektil, das neulich testweise gegen die Raketenfabrik Piwdenmasch in Dnipro eingesetzt wurde, den Namen »Haselnussstrauch« (Oreschnik) gegeben hätten, sagte Wladimir Putin letzte Woche. Das war mal wieder gelogen, wie man das von ihm kennt. Denn wachsame Litauer haben den Zusammenhang von Nußstrauch und Nussknacker erkannt und das gleichnamige Ballett von Peter Tschaikowski aus dem Programm der Staatsoper in Vilnius entfernt. Russische Kultur sei nie einfach Musik oder Literatur, sondern Instrument politischer Propaganda, lautet das Standardargument, und das Canceln von Komponisten, die 150 Jahre vor Wladimir Putin gearbeitet haben, sei ein Mittel, die kämpfende Ukraine zu unterstützen. Wie sehr ihr das hilft, sieht man gerade.

Jetzt regt sich die musikalische fünfte Kolonne in Litauen. Der Kulturminister hat erklärt, seinetwegen müsse dieser Boykott nicht sein, er höre sich selbst gern Tschaikowski an. Worauf er sofort einen Verweis seines Ministerpräsidenten bekam: Er möge sich um sein Ressort kümmern und keine privaten Meinungen zum besten geben. Die privaten Meinungen des Opernpublikums waren geteilt: Manche äußerten bedauerndes Verständnis für die Streichung des Vorweihnachtsklassikers, andere gingen aus Protest in der Pause.

Die New York Times, die über all dies am Sonntag berichtete, erinnerte kopfschüttelnd, wie es die Briten im Zweiten Weltkrieg mit dem Canceln gehalten haben: Sie brachten nicht nur den Vierschlag des Leitmotivs von Beethovens Fünfter als Jingle des deutschen BBC-Programms, sondern ganz bewusst eine Konzertserie mit Werken deutscher Komponisten im Radio. Um zu zeigen, dass man gegen Hitler kämpfe, nicht gegen Bach oder Beethoven. Ein hoffnungslos überholter Standpunkt.

Solidarität jetzt!

Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.

In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.

Genau das aber ist unser Ziel: Aufklärung mit gut gemachtem Journalismus. Sie können das unterstützen. Darum: junge Welt abonnieren für die Pressefreiheit!

                                               Heute 8 Seiten extra – Beilage zum Thema: Weihnachten