Einstieg mit Rüstungsoption
Von Burkhard IlschnerDie Papenburger Meyer-Werft wird teilverstaatlicht. Nachdem die EU-Kommission Anfang Dezember »keinen Anlass zu wettbewerbsrechtlichen Bedenken« gesehen hatte, erklärten Bundeswirtschaftsministerium und das Land Niedersachsen am vergangenen Mittwoch, die angekündigte Beteiligung »noch vor Weihnachten umsetzen« zu wollen: Bund und Land steigen mit zusammen 400 Millionen Euro ein, übernehmen dabei jeweils 40 Prozent. Zudem werden Kredite in Höhe von 2,6 Milliarden Euro gemeinsam mit Bürgschaften abgesichert.
Zwar hält die Eignerfamilie Meyer vorerst verbleibende 20 Prozent und soll – der Staatseinstieg ist vorübergehend geplant – auch eine Rückkaufoption haben. Doch schon im Sommer sprach Patriarch Bernard Meyer bei einer Betriebsversammlung von »Enteignung«. Dazu passt, dass er nach Angaben des Magazins Hansa vergangene Woche seinen baldigen Rückzug aus dem Unternehmen ankündigte.
Die Frage, warum Bund und Land der Meyer-Werft den finanziellen Rettungsring zuwarfen, ist interessant. Ja, das Unternehmen ist in der Region mit vielen Zulieferern ein wichtiger Jobgarant. Möglicherweise fließen demnächst sogar mehr Steuern aus dem Konzern, da als Teil des Rettungspakets vereinbart worden sein soll, der Firmensitz werde aus Luxemburg nach Deutschland zurückverlegt. Auch stellt die Meyer-Werft einen Hort vielfältigen technischen Know-hows dar – angesichts jahrzehntelangen Werftenabbaus in Deutschland mittlerweile geradezu eine schiffbauliche Kostbarkeit.
Doch berichtete das Handelsblatt im Spätsommer über ein als geheim eingestuftes Papier, wonach die Werft »bei einer Verschärfung der geopolitischen Lage (…) eine bedeutende Rolle im deutschen militärischen Schiffbau einnehmen« könnte. In allgemeiner Zuversicht über die »Rettung« überwogen aber zum einen die Beschwichtigung, da entstünden »nur« Versorgungsschiffe für die Bundeswehr – zum anderen das Ablenkungsmanöver, Meyer baue auch Konverterplattformen für die Offshorewindkraft – und sei somit nützlich für die Energiewende.
In vielen Berichten über die wettbewerbsrechtliche Freigabe der Teilverstaatlichung wird betont, dass die EU-Kommission wörtlich feststellte, das Vorhaben betreffe »in erster Linie den Bau und Verkauf von Kreuzfahrtschiffen«. Sollte das etwa militärische Optionen abblocken? In Zeiten der sogenannten »Zeitenwende« wenig wahrscheinlich. Das Land Niedersachsen war 2023 mit 2,8 Milliarden Euro bereits größter Kriegswaffenexporteur der BRD: Einer Antwort des Bundeswirtschaftsministeriums auf eine Anfrage der BSW-Abgeordneten Sevim Dagdelen zufolge hatte das Land seinen Vorjahresrekord mit rund 3,3 Milliarden Euro bereits bis zum 15. Oktober dieses Jahres übertroffen.
Nur rund eine Woche vor der Freigabe durch die Kommission hatte die Neue Osnabrücker Zeitung (NOZ) über ein Gutachten der sich als »Strategieberatung« bezeichnenden Beraterfirma »EY Parthenon« berichtet. Diese habe den Bau von Kriegsschiffen als »denkbare Alternative zu Kreuzfahrtschiffen« eingestuft, »gerade dann, wenn geopolitische Spannungen weiter zunähmen«. Deutschland, zitiert die NOZ das Gutachten weiter, sei »daher gut beraten, (...) Schiffbaukapazitäten bei Meyer zu sichern«. Bis zu fünf Fregatten (oder andere große Marineschiffe) könnten dort jährlich gebaut werden, in einer Art Fließbandfertigung.
»Keine andere Werft in Deutschland verfüge über derart große Kapazitäten wie Meyer mit den Trockendocks in Papenburg«, zitierte der Bericht und nannte weitere Details aus dem Gutachten: »Zum einen könnten Schiffe in den großen Hallen unter Ausschluss der Öffentlichkeit gebaut werden. Zum anderen liege Papenburg im Gegensatz zu anderen deutschen Marinewerften außerhalb der Reichweite russischer Mittelstreckenraketen, die in Kaliningrad stationiert sind.« Doch berichtet die Zeitung auch über Zweifel an dieser Einschätzung. Zwar habe ein Werftsprecher eine solche Umwidmung der Produktion als »unter bestimmten Voraussetzungen« denkbar bezeichnet, zugleich jedoch ergänzt: »Dazu wollen und werden wir aktuell nicht weiter spekulieren. Konkrete Pläne gibt es derzeit dazu nicht.«
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