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Aus: Ausgabe vom 24.12.2024, Seite 10 / Feuilleton
Weihnachten

Listen der Unvernunft

Der Schlaf der Unvernunft gebiert Geheuer
Von Marc Hieronimus
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Zeitreise in die Hitparade der 70er: Guildo Horn

Die beliebten »Listen der Vernunft« der jW zum Jahresende sollten für die ganze Wahrheit eigentlich Listen der Unvernunft flankieren. Die circa DIN-A6-formatige Hamburger Postille Pareidolia, das »Zentralorgan des Salonkommunismus«, brachte es vor einigen Jahren auf den epigrammatischen Punkt: »Der Schlaf der Unvernunft gebiert Geheuer.«

Und geheuer ist einem nicht, was in Deutschland mehrheitlich gehört, geschaut und gelesen wird. Die Listen der Unvernunft sind im wesentlichen die bekannten Charts und Bestsellerlisten. Unvernunft ist ja nicht Irrsinn. Der hat immer schon Faszinierendes hervorgebracht, sei es durch die Irren selbst oder durch ihre Beobachter. Die wache Unvernunft ist dagegen mehr dem hellen Wahnsinn verwandt. Unvernünftige können für ihr Tun zur Rechenschaft gezogen werden, auch wenn ihr Verbrechen nur ästhetischer Art und dem Massengeschmack geschuldet ist. In viel zu wenigen Familien wird z. B. das vorsätzliche Abspielen von »Last Christmas« (Wham!) mit dem Ausfall des Weihnachtsfestes bestraft. Mit ein wenig Mühe lassen sich im Genre Weihnachtslieder, diesem Pfuhl von Kitsch und Klingeling, ja durchaus Perlen finden, z. B. »Merry Xmas Everybody« von Slade.

Die Unvernunft des äffischen Es-den-anderen-Nachtuns entstammt der leider allzu menschlichen Faulheit und Anspruchslosigkeit und führt in einer Abwärtsspirale zur verbitterten Akzeptanz des Status quo. Die Straßen sind kaputt, die Renten mager und keiner geht auf die Straße? Kein Wunder, im Radio läuft Mariah Carey. Jedenfalls, wenn man nicht aufpasst. Guildo Horn, dessen eigener Beitrag zur Musikkultur gewiss überschaubar ist, moderiert jeden Sonnabend im WDR 4 eine Zeitreise in die Hitparade von vor 50 Jahren. Das wenige Gute, das bisweilen durch den Äther dringt, wurde ja größtenteils schon vor Jahren geschaffen. Viel Gutes, zeigt Herr Horn, wurde aber auch schlicht vergessen oder übersehen. Wer die erhaltenswerten Kulturträger quasi noch presswerkwarm in Erstauflage goutieren möchte, sei streng und wach bei der Feuilletonwahl!

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