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Aus: Ausgabe vom 28.12.2024, Seite 1 / Titel
Migration

Massengrab Meer

Trotz oder wegen der repressiven EU-Migrationspolitik war 2024 mit mehr als 10.400 Toten das tödlichste Jahr für Menschen auf der Flucht nach Spanien
Von Carmela Negrete
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Name unbekannt. Das Grab eines ertrunkenen Migranten auf einem Friedhof auf der kanarischen Insel El Hierro

Der hiesigen bürgerlichen Presse sind diese Menschen keine Schlagzeile mehr wert. Dabei wurde in diesem Jahr ein trauriger Rekord erreicht: Mehr als 10.400 Menschen sind 2024 auf ihrem Weg übers Meer in Richtung Spanien gestorben. Wie die spanische NGO Caminando Fronteras in einem Bericht vom Donnerstag mitteilte, kamen dabei auch etwa 1.500 Kinder ums Leben.

Helena Maleno Garzón, Leiterin der Organisation, erklärte in einem Interview mit dem Radiosender Cadena Ser, dass sich in Spanien und Europa eine Politik des »Sterbenlassens« etabliert habe. »Im Meer ist das einfach: Boote verschwinden, und dann ist es schwierig, die Leichen zu finden. Es bleibt kaum ein Zeugnis zurück«.

Es sind erschütternde Zahlen: Jeden Tag sterben etwa 30 Menschen bei dem Versuch, Spanien auf dem gefährlichen Weg übers Meer zu erreichen. Doch auch dort sind solche Nachrichten meist nur Randnotiz. Ein jüngstes Beispiel: Am gestrigen Freitag wurde bekannt, dass 69 Menschen vor der Küste Marokkos ertrunken sind, darunter 25 aus Mali. Nur elf der insgesamt 80 Migranten, die auf ihren Boot unterwegs waren, haben überlebt. Sie hatten versucht, die Kanarischen Inseln zu erreichen. Einen Tag zuvor, am 26. Dezember, wurden 184 Menschen vor El Hierro gerettet. 55 von ihnen befanden sich aufgrund von Dehydrierung nach der langen Fahrt auf hoher See in einem kritischen Zustand. Eine Person starb später im Krankenhaus.

Maleno Garzón erklärte in der Radiosendung, dass viele dieser Menschen aus ihren Herkunftsländern vertrieben werden, »und eine entscheidende Ursache dafür ist der Klimawandel, der in Zukunft noch stärker wirken wird«. Die Aktivistin macht die Autoritäten in Europa für die Toten verantwortlich: »Es sind politische Maßnahmen, die verhindern, dass Rettungsaktionen rechtzeitig gestartet werden, und die dafür sorgen, dass beispielsweise Marokko, das nicht über die nötigen Mittel verfügt, verantwortlich gemacht wird«. Maleno Garzón kennt die Opfer und deren Familien, sie kennt die Friedhöfe mit den namenlosen Gräbern, auf denen nur eine Nummer steht, weil man sich nicht die Mühe gibt, die Verstorbenen zu identifizieren und ihre sterblichen Überreste an die Familien zurückzusenden.

Allein aus Mauretanien sind in diesem Jahr 79 Boote gestartet, die nie ihr Ziel erreicht haben. Dabei hatte das Land im Februar von der EU rund 210 Millionen Euro zur »Bekämpfung illegaler Migration« erhalten; zusätzliche Mittel im Rahmen einer seit längerem bestehenden Kooperation. NGOs berichten, dass es in dem Land auch »Abschiebungen in die Wüste« gegeben hat. Blanke Armut macht die Fluchtversuche oft tödlich: Holzboote ohne Navigationssysteme können nicht verfolgt werden, die Rettung gerät zum aussichtslosen Unterfangen. Der Bericht von Caminando Fronteras verweist auf eine andere Weise der Flucht, die immer gefährlicher wird: Junge Menschen versuchen in Neoprenanzügen die Straße von Gibraltar zu durchschwimmen und ertrinken nach stundenlangem Kampf gegen die Wellen.

Dem spanischen König sind die Ertrunkenen kein Wort wert. Seine Weihnachtsansprache hatte einen Tonfall, der für viele nach der extrem rechten Partei Vox klang. Als er auf die Migration zu sprechen kam, sagte er, sie würde »ohne die richtige Lenkung« zu Spannungen führen und »den sozialen Zusammenhalt untergraben«. Für diesen Zusammenhalt ist permanent unterlassene Hilfeleistung mit jährlich Tausenden Toten offenbar kein Problem.

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