»Extreme Probleme bei der Wohnungssuche«
Interview: Kristian StemmlerDie Schufa Holding AG ist ein privatwirtschaftliches Unternehmen und hat großen Einfluss auf den Alltag der Menschen hierzulande. Negative Einträge können dazu führen, dass man keinen Mietvertrag oder Kredit mehr bekommt. Mit dem Jahreswechsel greifen neue Regelungen zu den Schufa-Einträgen. Was verändert sich konkret?
Alle deutschen Wirtschaftsauskunfteien haben bereits im Mai 2024 gemeinsam beschlossen, zukünftig die Speicherdauer von Negativeinträgen in bestimmten Fällen von bisher 36 Monaten auf 18 Monate zu verkürzen. Die Schufa setzt dies nun zum Jahreswechsel um. Die Verkürzung gilt allerdings nur für Einträge, die folgende drei Voraussetzungen erfüllen: Erstens muss die betreffende offene Forderung innerhalb von 100 Tagen nach der Übermittlung an die Schufa beglichen werden. Zweitens dürfen in den 18 Monaten keine neuen Negativeinträge an die Schufa gemeldet werden und drittens dürfen keine Informationen aus dem amtlichen Schuldnerverzeichnis oder aus Insolvenzbekanntmachungen über die betreffende Person vorliegen.
Die Vorstandsvorsitzende der Schufa Holding AG, Tanja Birkholz, hat erklärt, die Neuregelung bringe Vorteile für beide Seiten, Unternehmen und Verbraucher. Welche Vorteile hat sie für die Verbraucher?
Vorteile sehen wir für Verbraucherinnen und Verbraucher, die über einen längeren Zeitraum nur einmal in Zahlungsschwierigkeiten geraten und ansonsten keine Probleme haben, ihre Rechnungen zu begleichen. Das ist aber eher die Ausnahme. Die Schufa hat bereits vor dem 1. Januar rund 60.000 Personen, die diese Voraussetzungen erfüllen, aus dem Datenbestand gelöscht. Im Vergleich zu den etwa sechs Millionen Personen mit Negativmerkmalen in der BRD ist dieser Personenkreis jedoch gering.
Wie verhält es sich mit überschuldeten Haushalten, die eine Rechnung nicht innerhalb von 100 Tagen begleichen können, die Bedingungen für eine Verkürzung also nicht erfüllen?
Dann gelten die bisherigen Speicherfristen: Unerledigte Forderungen werden dauerhaft gespeichert, erledigte Forderungen werden taggenau weitere drei Jahre als Negativmerkmal gespeichert und erst danach gelöscht.
Welche Veränderungen bei den Schufa-Regeln könnten überschuldeten Haushalten statt dessen helfen?
Nach einem Gerichtsverfahren vor dem Europäischen Gerichtshof hat die Schufa die Speicherfrist für abgeschlossene Insolvenzverfahren von drei Jahren nach Beendigung auf sechs Monate nach Beendigung verkürzt. Um keine Ungleichbehandlung mit Regulierungen außerhalb eines Insolvenzverfahrens entstehen zu lassen, fordern wir als Bundesarbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung eine grundsätzliche Angleichung dieser verkürzten Speicherfrist für alle Forderungserledigungen.
Was bedeuten negative Schufa-Einträge für die betroffenen Haushalte im Alltag?
Negative Einträge bei der Schufa haben erhebliche Auswirkungen auf die Teilhabe am Wirtschaftsleben. So werden zum Beispiel Kreditanträge abgelehnt, Zahlungen auf Rechnung oder per Lastschrift sind dann oft nicht möglich. Viele Überschuldete berichten vor allem von extremen Problemen bei der Wohnungssuche. Auf dem angespannten Wohnungsmarkt haben Menschen mit negativen Schufa-Einträgen kaum eine Chance, obwohl sie ihre Miete immer pünktlich zahlen.
Es gibt immer wieder Kritik an der Schufa, vor allem weil die Berechnung des Schufa-Scores, mit dem das Unternehmen die Kreditwürdigkeit der Bürger bewertet, nicht offengelegt wird. Wie sehen Sie das?
Es ist tatsächlich so, dass die Schufa bisher den Verbraucherinnen und Verbrauchern einen konkreten Einblick in die Berechnung ihres Scores verwehrt. Die Schufa hat jedoch im Rahmen ihrer aktuellen Transparenzbemühungen für das Jahr 2025 in Aussicht gestellt, die bisherige Berechnung zu vereinfachen, deutlich transparenter und auch überprüfbarer zu gestalten. Angesichts des großen Einflusses, den Auskunfteien auf unsere persönliche Teilhabe am Wirtschaftsleben haben, halten wir diesen Schritt auch für dringend geboten.
Volker Haug ist Fachreferent bei der Bundesarbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung (BAG)
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