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Aus: Ausgabe vom 28.12.2024, Seite 4 / Inland
Staat und RAF

Justizministerin nicht beeindruckt

Niedersachsen: Solidarität mit Daniela Klette offenbar noch ausbaufähig
Von Marc Bebenroth
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Mehr als 30 Menschen versammeln sich vor der JVA Vechta in Solidarität mit der Inhaftierten (17.3.2024)

Ihre Worte klingen wie ein Aufruf zum Mitmachen: Die Solidarität mit Daniela Klette verortet Niedersachsens Justizministerin Kathrin Wahlmann (SPD) im eher betagten Umfeld der wegen angeblicher Mitgliedschaft in der sich 1998 aufgelösten »Rote Armee Fraktion« (RAF) Inhaftierten. »Das scheinen alte Bekanntschaften zu sein, die in der Szene unterwegs sind«, hat die Ministerin am Freitag gegenüber dpa mit Blick auf Kundgebungen erklärt. »Wir nehmen derzeit keine neue Solidarisierungsbewegung von jüngeren Gruppierungen wahr«, sagte sie.

Die 66jährige Beschuldigte wird in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Vechta festgehalten. Den dringenden Tatverdacht wegen versuchten Mordes ließ das Oberlandesgericht im niedersächsischen Celle fallen, wie eine Sprecherin am 20. Dezember erklärt hatte. Klette wird aber weiterhin verdächtigt, sich an insgesamt acht Raubüberfällen in verschiedenen Bundesländern beteiligt zu haben sowie im Besitz verbotener Waffen gewesen zu sein. Deshalb wird die Untersuchungshaft der angeblichen »RAF-Terroristin« aufrechterhalten.

Seit ihrer Festnahme im Februar dieses Jahres in Berlin demonstrierten immer wieder teils Hunderte Menschen vor der JVA Vechta oder in der Bundeshauptstadt und brachten so ihre Solidarität mit Klette als einer politischen Gefangenen zum Ausdruck. Deren bisherige Anzahl lässt die Justizministerin Niedersachsens offenbar unbeeindruckt. Die Kundgebungen seien zahlenmäßig »überschaubar«, sagte sie gegenüber dpa in Hannover. Großen Zuspruch in der Bevölkerung für Klette will Wahlmann demnach nicht ausgemacht haben. Noch so ein unfreiwilliger Aufruf zu mehr Solidarität mit der Gefangenen.

Gemeinsam mit den ebenfalls als angebliche RAF-Mitglieder gesuchten Burkhard Garweg und Ernst-Volker Staub soll Klette in den Jahren zwischen 1999 und 2016 Geldtransporter sowie Supermärkte in Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen überfallen haben. Dies soll der Finanzierung ihres Lebens in der Illegalität gedient haben. Für die mutmaßlich Beteiligten sei es »ausgeschlossen« gewesen, »für Geld Gewalt gegen Menschen auszuüben, die sie töten oder physisch verletzen könnte«, erklärt Garweg in einem Brief an die Taz, aus dem das Blatt am 20. Dezember zitiert hatte. »Jegliche Traumatisierung von Angestellten von Kassenbüros oder Geldtransporten ist zu bedauern«, schreibt der Untergetauchte demnach weiter.

Für den noch ausstehenden Prozess gegen die 66jährige rechnet die Ministerin mit »großen organisatorischen Herausforderungen«. Es würden enorme Raumkapazitäten benötigt, sollten sich tatsächlich »weit mehr als 20 Personen als Nebenkläger« dem von der Staatsanwaltschaft Verden angestrengten Verfahren anschließen. Die Möglichkeit dafür leitete Wahlmann am Freitag aus dem Umstand her, dass diverse Taten mitverhandelt würden, die sich nicht im Bundesland Niedersachsen zugetragen haben sollen. Die Staatsanwaltschaft Verden hatte im November Anklage wegen schweren Raubs, schwerer räuberischer Erpressung und versuchten Mordes gegen Klette erhoben. Ob es tatsächlich im neuen Jahr zur Verfahrenseröffnung gegen sie kommen wird, muss das Landgericht Verden erst noch entscheiden.

Auch ohne jenen »dringenden Tatverdacht« könne Klette noch wegen versuchten Mordes der Prozess gemacht werden, wie das Oberlandesgericht vergangene Woche erklärt hatte. In einer möglichen Hauptverhandlung müsste der Vorwurf genauer aufgeklärt werden. Laut einem Haftbefehl der Bundesanwaltschaft in Karlsruhe von 2018 soll Klette an einem gescheiterten Anschlag auf ein Gebäude der Deutschen Bank im hessischen Eschborn im Jahr 1990, einem Schusswaffenangriff auf die US-Botschaft in Bonn 1991 und einem Sprengstoffanschlag auf einen Gefängnisneubau im hessischen Weiterstadt 1993 beteiligt gewesen sein.

Der Prozessauftakt könnte der Solidarität für Daniela Klette sowie die gesuchten Garweg und Staub neuen Antrieb geben. Spätestens dann könnten auch junge Linke unter Beweis stellen, dass ihre Fälle nicht nur die Alten bewegen.

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