Ein bisschen Betrug
Von Christian Selz, KapstadtMosambik gerät immer tiefer in einen Strudel von Gewalt und Chaos. Bei Protesten gegen das offizielle Ergebnis der Präsidentschaftswahl vom 9. Oktober sind nach Angaben der Menschenrechtsorganisation Amnesty International bisher mindestens 249 Menschen getötet worden. Nachdem das Verfassungsgericht des Landes am 23. Dezember den Kandidaten der seit der Unabhängigkeit 1975 regierenden Befreiungsfront Mosambiks (Frente de Libertação de Moçambique, Frelimo), Daniel Chapo, als Wahlsieger bestätigt hat, ist der Konflikt zwischen Oppositionsanhängern und Staatsmacht weiter eskaliert. Allein seit Montag kamen dabei mindestens 118 Menschen um. Bei einer Gefängnisrevolte in einer Hochsicherheitshaftanstalt in der Hauptstadt Maputo entkamen zudem 1.534 Insassen. 33 Häftlinge wurden bei Kämpfen mit Sicherheitskräften getötet.
Wie es zu dem Gefängnisausbruch kam, ist unklar. Polizeichef Bernardino Rafael erklärte, »subversive Protestierende« hätten am Mittwoch eine Gefängnismauer zum Einsturz gebracht, woraufhin Insassen der Anstalt Waffen von Wärtern entrissen und andere Häftlinge befreit hätten. Als »merkwürdige Tatsache« bezeichnete er zudem den Umstand, dass bei der Revolte auch 29 Terroristen befreit worden seien. Die Regierung hingegen präsentierte eine andere Version der Ereignisse: Justizministerin Helena Kida sagte beim lokalen Privatsender Miramar TV, die Revolte habe im Inneren des Gefängnisses begonnen, und es bestehe kein Zusammenhang zu Protesten vor der Haftanstalt. Der Oppositionspolitiker Venâncio Mondlane, der sich selbst als Wahlsieger sieht und zu den Protesten aufgerufen hatte, warf schließlich der Regierung vor, den Ausbruch orchestriert zu haben, um infolge des resultierenden Chaos den Ausnahmezustand ausrufen zu können.
Mondlane wiederum wird vorgeworfen, die Proteste aus seinem unbekannten Auslandsexil anzuheizen. Er hatte seine Anhänger aufgerufen, das öffentliche Leben in Mosambik zum Stillstand zu bringen. In einer letzten Mitteilung über Facebook vor der Urteilsverkündung des Verfassungsgerichts am Montag hatte er zudem erklärt, dass »das Schicksal Mosambiks, Stabilität oder Gewalt« von Gerichtspräsidentin Lúcia Ribeiro verkündet werde. Nahezu unmittelbar nach deren mehr als anderthalbstündiger Urteilsverlesung flammten die Proteste von neuem auf. Südafrika schloss aus Angst vor Plünderungen seinen wichtigsten Grenzübergang zwischen dem Wirtschaftsraum Johannesburgs und Mosambiks Hauptstadt Maputo für Lkw. Auf politischer Ebene verhält sich Pretoria bisher neutral. Der Außenminister der Regionalmacht, Ronald Lamola, vermied es in einer vorsichtig formulierten Stellungnahme, das Urteil zum Wahlausgang anzuzweifeln oder anzuerkennen, sondern rief lediglich sämtliche Parteien zum Dialog auf und bot die Unterstützung seines Landes zur Durchführung solcher Gespräche in Abstimmung mit der regionalen Entwicklungsgemeinschaft des Südlichen Afrika (Southern African Development Community, SADC) an. Der Kommissionsvorsitzende der Afrikanischen Union (AU), Moussa Faki Mahamat, äußerte sich aufgrund der Gewaltausbrüche besorgt und rief die mosambikanischen Sicherheitskräfte zur Zurückhaltung auf.
Bezeichnend für die Glaubwürdigkeit des Wahlergebnisses ist auch das Urteil des mosambikanischen Verfassungsgerichts. Denn die Justiz bestätigte zwar den Sieg des Kandidaten der Regierungspartei, korrigierte aber dessen Ergebnis um mehr als fünf Prozentpunkte auf nunmehr 65 Prozent der Stimmen nach unten. Gerichtspräsidentin Ribeiro bestätigte gar, dass es Wahlbetrug gegeben habe, erklärte jedoch, die Korrektur des Ergebnisses durch die Justiz sorge dafür, dass eine neuerliche Auszählung der Stimmen nicht notwendig sei. Mondlane unterstellt eine ganze Reihe von verschiedenen Wahlbetrügereien wie etwa die Registrierung von nichtexistierenden Geisterwählern, die Abgabe zusätzlicher gefälschter Stimmen für das Regierungslager und große Diskrepanzen bei der Wahlbeteiligung in einzelnen Lokalen. Für seine Behauptung, er selbst habe 53 Prozent der Stimmen erhalten, konnte er allerdings bisher keine Beweise vorlegen.
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