»Man spricht von ›blutigem Palmöl‹«
Interview: Thomas BergerDie Insel Borneo, geteilt zwischen Indonesien und Malaysia, ist besonders stark von Abholzung betroffen. Noch besteht dort ein großer Teil der »grünen Lunge« unseres Planeten. Wie gefährdet ist dessen Fortbestand?
Die ersten großen Kahlschläge gab es schon in den 1980ern und 1990ern, damals für Tropenholz. Verstärkt war Borneo seit 2007 Zielgebiet für Palmölplantagen. Bis zu zehn Millionen Hektar waren geplant, in der Tat sind wir in den vergangenen 17 Jahren fast bei dieser Größenordnung gelandet. Die heutige Bewaldung der Insel liegt nur noch bei 50 Prozent. Viele Tiefland- und Küstenwälder sind verschwunden. Und der Verlust an artenreichem, ökologisch wertvollem Regenwald geht weiter.
Vieles fokussiert sich in der Wahrnehmung im Ausland auf die Palmölbranche. Gibt es noch andere Industriezweige, die Schaden anrichten?
Die wohl größte Bedrohung ist seit einigen Jahren die Papier-, Zellulose- und Viskoseindustrie, die mit großen Lieferungen in ihre Fabriken enormen Einschlag gerade in den Primärwäldern vor allem im Westen Borneos, einschließlich der Habitate des Orang-Utans, vorantreibt. Auch im Norden des indonesischen Inselteils Kalimantan, unweit der Grenze zu Malaysia, wird nun eine große Zellstofffabrik mit enormem Holzbedarf gebaut. Kürzlich haben wir zudem ein Monitoring in Zentral-Kalimantan durchgeführt, wo es gleich sieben neue Konzessionen an Firmen aus diesem Sektor gegeben hat.
Die Zahl der Konzerne, die in einer rechtlichen Grauzone agieren, ist groß. Eine dieser Firmen ist PT Wahana Prima Sejati, Tochter des weltweiten Konzerns First Resources Limited, die in einem Küstenwald im Osten eine weitere Palmölraffinerie und eine Biodieselfabrik bauen will. Ausgerechnet im Lebensraum der seltenen Nasenaffen, von denen es nur noch 1.400 gibt.
Dieses Vorhaben konnte zwischenzeitlich gestoppt werden, nachdem großer Protest beim Runden Tisch für Nachhaltiges Palmöl – einer Initiative der Organisation WWF – einging. Nach anfänglicher Zurückhaltung interessierte man sich dann doch für diese Verletzung von Nachhaltigkeitskriterien. Der Konzern bereitet uns und lokalen Partnern aber längst andernorts Sorge, zum Beispiel in Papua.
Wie verhalten sich vor diesem Hintergrund indonesische Politiker?
Große Flächen für den Raubbau freizugeben, gehört vor allem zu der unter Expräsident Joko Widodo betriebenen Wirtschaftspolitik, die sein nun seit Ende Oktober regierender Nachfolger Prabowo Subianto fortführen will. Es geht dabei um sogenannte Food Estates. Das sind Megaplantagen, die insbesondere seit Beginn der Coronapandemie unter dem Label der Ernährungssicherung angelegt werden. Bislang waren auf Borneo vorrangig kleinbäuerlich genutzte Flächen betroffen, jetzt dringen die Riesenfarmen zunehmend in Primärwaldgebiete vor. Diese Projekte werden vom Militär überwacht, Soldaten sind direkt an der Umsetzung beteiligt. In Zentral-Kalimantan sind schon unter dem damaligen Diktator Suharto 1,3 Millionen Hektar Torfmoorwald für Reisplantagen verschwunden, Indonesiens größte ökologische Katastrophe. Dabei sind die Böden auf Borneo gar nicht für diese Nutzungsart geeignet, sind viel zu schnell ausgelaugt. Riesige Flächen trocken aus, was dort die Gefahr von Bränden erhöht. Ganz nebenbei trägt übrigens auch die neue Hauptstadt Nusantara zum Waldverlust bei. Ursprünglich als »grünes Projekt« eingestuft, geht deren Entwicklung mit viel Kahlschlag und Umsiedlungen einher.
Wie sind indigene Gruppen davon betroffen?
Ein Grundproblem ist, dass die Politik die Waldgebiete als »staatliches« Land einstuft, auf dem man Konzessionen an Firmen vergeben kann. Einzelne Gerichtsurteile haben zwar die Rechte der Indigenen auf Landtitel ein wenig gestärkt. Aber insbesondere die Volksgruppe der Dayak lebt weiter in Gefahr. Unsere Partner vor Ort sprechen von »blutigem Palmöl«.
Marianne Klute ist zweite Vorsitzende des Vereins Rettet den Regenwald, der mit Organisationen auf Borneo zusammenarbeitet
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