Politisch entleert
Von Christian Selz, Kapstadt»A luta continua« (Der Kampf geht weiter) war wohl der bekannteste Slogan der antikolonialen Befreiungsfront Mosambiks, zu Zeiten als diese Frente de Libertação de Moçambique, international geläufiger unter ihrem Kürzel Frelimo, noch ein Leuchtfeuer der Hoffnung auf eine bessere, gerechtere Welt war. Unter ihrem charismatischen Anführer Samora Machel vertrieb die marxistische Organisation nicht nur 1975 die portugiesischen Kolonialherren, sondern beherbergte in der Folge auch Ausbildungslager der südafrikanischen Befreiungsbewegung African National Congress (ANC) für den Kampf gegen das Apartheidregime. Der Preis für das ohnehin arme Land war ein von den Rassisten in Pretoria angefeuerter, fast zwei Jahrzehnte andauernder Guerillakrieg mit der Proxymiliz Renamo. Machel starb 1986 bei einem Flugzeugabsturz in Südafrika, bei dem eine Schuld des Apartheidregimes zwar nie zweifelsfrei nachgewiesen wurde, aber wahrscheinlich ist.
1989, auf ihrem 5. Parteitag, wandte sich die bis dato maßgeblich von der Sowjetunion und der DDR unterstützte Frelimo vom Sozialismus ab, jegliche entsprechende Referenzen wurden aus dem Programm gestrichen. In der damaligen Weltlage war das zumindest nachvollziehbar. 1992 – in Südafrika stand das Apartheidregime vor dem Aus – endete der Krieg. Es folgten Kredite und Strukturprogramme von Weltbank und IWF. Wohlstand brachten die kaum, aber sie spülten Geld in die Staatskasse. Die Folge: Es gab nun etwas zu verteilen. Und innerhalb der Frelimo wurden nicht nur die Linken kaltgestellt, sondern die einstige Befreiungsfront wandelte sich mehr und mehr zu einem Vehikel für politische Karrieristen. Das Land versank in Korruption und Kleptokratie. Internationale Konzerne und Banken haben dabei bereitwillig mitgespielt, wenn etwa mit Krediten für Fischkutter in Wirklichkeit Rüstungsgüter gekauft wurden. Eine gut geschmierte Maschinerie.
Der Haken: Ressourcen sind endlich, Gier ist es nicht. Und so half den allermeisten Mosambikanern auch die bis heute größte ausländische Direktinvestition in einem afrikanischen Land – 24 Milliarden US-Dollar, die ein Konsortium unter Führung des französischen Konzerns Total in die Ausbeutung von Offshoregasvorkommen im Norden Mosambiks steckte – wenig bis nichts. Im Gegenteil: Unter dem Deckmantel des Kampfs gegen islamistische Aufständische – geführt nahezu ohne jegliche demokratische Kontrolle von ruandischen Militäreinheiten auf Wunsch des französischen Präsidenten – wurde die Lokalbevölkerung zugunsten des Öl- und Gasmultis vertrieben, gravierende Menschenrechtsverletzungen inklusive. Teilhabe am Reichtum des Landes, Arbeitsplätze in nennenswertem Umfang, vielleicht sogar ein wenig Wohlstand? Für Menschen ohne politische Vernetzung Fehlanzeige! Der Kampf geht weiter, aber inzwischen wird er von oben geführt – bei nunmehr fast 250 Toten in nicht einmal drei Monaten mit wachsender Brutalität.
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