Sanktionen ziehen nicht
Von Knut MellenthinIn wenigen Tagen endet das dritte Jahr geballter westlicher Sanktionen gegen Russland. Hauptziel ist dessen Energiewirtschaft. Vor diesem Hintergrund soll der Konzern Rosneft, an dem der russische Staat die Aktienmehrheit hält, zum Verkauf seines 54prozentigen Anteils an der PCK-Raffinerie im brandenburgischen Schwedt an der Oder gezwungen werden.
In dieser Situation ist es erstaunlich, dass ein Einstieg des russischen Staatskonzerns Rosatom, dem weltweiten Marktführer auf dem Gebiet der Nukleartechnologie, bei einer Fabrik für AKW-Brennelemente im niedersächsischen Lingen im Gespräch ist. Dürfen die das denn überhaupt? Ja, sie dürfen prinzipiell, kein Zweifel. Denn anders als bei Erdöl und Erdgas gibt es keine Maßnahmen Brüssels gegen Geschäfte mit Nukleartechnologe und angereichertem Uran zwischen Russland und der EU. Ungarn verhindert Sanktionen in diesem Bereich mit seinem Veto, und aufgrund massiver Interessen seiner Atomwirtschaft ist auch Frankreich dagegen. Weil die Anlage in Lingen von der Firma Advanced Nuclear Fuels (ANF) betrieben wird, die eine Tochter des französischen Unternehmens Framatome ist, hat die deutsche Bundesregierung dort rechtlich gesehen nichts zu melden.
Atommüll aus Lingen
In Lingen werden schon seit 1979 Brennelemente für Leichtwasserreaktoren produziert. Abnehmer waren zunächst hauptsächlich AKW-Betreiber in der BRD, aber daneben auch in anderen EU-Ländern. Mit der Sowjetunion und nach deren Auflösung im Dezember 1991 mit Russland gibt es seit Jahrzehnten eine eingespielte Zusammenarbeit. Aus Russland wird angereichertes Uran nach Lingen geliefert, das für die Herstellung der Brennelemente benötigt wird. In umgekehrte Richtung gehen aus Lingen regelmäßig Transporte von radioaktivem Material, sogenanntem Atommüll, über den niederländischen Hafen Rotterdam an die russische Firma MSZ Machinery, die eine Wiederaufarbeitungsanlage betreibt. Kritiker glauben, dass MSZ auch für das russische Militär arbeitet.
In der Polemik gegen die Zusammenarbeit mit Russland vermischen sich die Argumente. Umweltschützer bedienen sich zugleich auch der Feindbildrhetorik, während sich die strammen Kriegsertüchtiger auch schon mal ein ökologisches Mäntelchen überstreifen.
Kraftwerke im Bau
Die in London ansässige Tageszeitung Financial Times berichtete am 23. Dezember über ein Gespräch mit Boris Titow, der den Titel eines Sondervertreters der russischen Regierung für internationale Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Nachhaltigkeit führt. Nach seinen Angaben bauen russische Unternehmen gegenwärtig mehr als zehn Atomkraftwerke im Ausland. Namentlich erwähnte er Bangladesch, China, Ägypten, Indien, Iran, die Türkei und Ungarn. Weltweit werden laut einem früheren Artikel der Financial Times mehr als ein Drittel aller in Bau befindlichen Reaktoren von russischen Unternehmen errichtet.
USA importieren Uran
Einem Bericht der Nachrichtenagentur Reuters vom 4. Juni zufolge verfügt Russland über 44 Prozent der globalen Kapazität zur Urananreicherung und ist damit Marktführer. Auf der anderen Seite haben die USA ihre Anreicherungskapazität seit den frühen 1980er Jahren stetig heruntergefahren und müssen rund 90 Prozent des benötigten angereicherten Urans importieren. Russland lag dabei 2023 mit einem Anteil von zwölf Prozent hinter Kanada (25 Prozent), Kasachstan (21 Prozent) und Australien (21 Prozent). Vor 2022 war der russische Anteil sogar noch erheblich höher.
Ein von beiden Kongressparteien der USA getragenes Gesetz, das Präsident Joseph Biden am 13. Mai unterzeichnete, sieht das Verbot der Einfuhr von russischem Uran vor. Aus realistischen Gründen sind Ausnahmegenehmigungen für den Import von Uran aus Russland noch bis zum 1. Januar 2028 möglich. Gleichzeitig soll der Aufbau eigener Anreicherungsanlagen mit 2,7 Milliarden Dollar subventioniert werden. Im Gegenzug ordnete die russische Regierung am 15. November die »zeitweise Beschränkung« von Uranexporten in die USA an. Ausnahmen seien möglich – »in Fällen, wo es unseren Interessen dient«, erläuterte Kremlsprecher Dmitri Peskow.
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