16 Millionen Menschen droht Altersarmut
Von Michael MerzEins ist sicher: Die Altersarmut wird sich in der Bundesrepublik deutlich verschärfen. 16 Millionen Menschen könnte eine monatliche Rente unter 1.200 Euro drohen. Dies geht aus einer Antwort des Bundesarbeitsministeriums auf eine schriftliche Frage von BSW-Chefin Sahra Wagenknecht hervor, über die die Nachrichtenagentur AFP am Sonntag berichtete.
Nach aktueller Rentenformel ist in der Berechnung ein Stundenlohn von 17,27 Euro nötig, um nach 45 Jahren durchgehender Vollzeitarbeit auf eine Rente von gerade einmal 1.200 Euro zu kommen. Etwa 16 Millionen Beschäftigte verdienen der Antwort zufolge jedoch weniger als 17 Euro brutto in der Stunde. Das sind etwa 39 Prozent aller etwa 40,8 Millionen hierzulande Beschäftigten. Hingegen ist ein Stundenlohn von 19,36 Euro nötig, um 1.314 Euro Rente im Monat zu beziehen. Dieser Betrag gilt als die Armutsgefährdungsschwelle für Alleinlebende.
»Wir haben eine schwere Rentenkrise in unserem Land«, erklärte Wagenknecht gegenüber AFP. Altersarmut werde ein noch viel größeres Problem. Die Parteichefin schlug vor, dass die künftige Bundesregierung die Bevölkerung über ein Rentenmodell abstimmen lassen sollte und brachte das System Österreichs ins Spiel: »In Österreich fällt niemand, der 40 Versicherungsjahre geleistet hat, unter 1.600 Euro Rente.« Das BSW fordere die Einführung einer gesetzlichen Mindestrente in Höhe von 1.500 Euro nach 40 Versicherungsjahren. Wagenknecht hält es für »finanzierbar, wenn wie in Österreich auch bei uns alle Erwerbstätigen in die Rentenkasse einbezogen werden«. Es sollten »unbedingt auch Bundestagsabgeordnete und Bundesminister einzahlen müssen«.
Für Wagenknechts Partei könnte es sich als lohnenswert erweisen, im Wahlkampf auf das Thema Rente zu setzen. Eine Jahresendumfrage des Meinungsforschungsinstituts INSA für Bild am Sonntag hat ergeben, dass auf Platz zwei der wichtigsten Themen in der Bevölkerung die Sicherung der Altersbezüge mit 54 Prozent steht. Nur die Bewältigung der galoppierenden Inflation wird als noch bedeutender angesehen (56 Prozent der Befragten).
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Peter W. (30. Dezember 2024 um 23:36 Uhr)Wagenknecht hat Recht. Und es gibt natürlich Alternativen zu den neoliberalen Vorschlägen, die Lebensarbeitszeit zu verlängern. Dies würde, wir alle wissen, selbst die Vorschlagenden, einer Rentenkürzung gleichkommen. Mein Vorschlag wäre, neben der Vergrößerung der Menge der Einzahlenden, die massive Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenzen. Es ist einfach ungerecht, dass Normal- und Geringverdiener prozentual mehr in die Sozialkassen einzahlen als Gut- und Spitzenverdiener. Ebenfalls ungerecht ist, dass Einkommen, welches nicht aus Arbeit oder Rente generiert wird, überhaupt nicht sozialversicherungspflichtig ist. Wenn man dieses Potential angehen würde, könnte man die Beitragssätze für alle senken und hätte trotzdem eine bessere Rentenprognose für alle als heute. Aber das ist vermutlich Zuviel verlangt an Solidarität.
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Leserbrief von Ilka Müller aus Bremen (4. Januar 2025 um 18:12 Uhr)Ich stimme Ihnen und dem BSW zu. Mit Bezug auf den Artikel finde ich es unpassend, zu formulieren, »es könnte sich für die Wagenknecht-Partei lohnen, auf das Thema Rente zu setzen«. Das klingt, als würde sich die Partei des Themas nur annehmen, um Wählerstimmen zu generieren. Leider sind die Erfahrungen mit den bisherigen Regierungsparteien derart, dass Themen und Versprechen aus dem Wahlkampf meist in Wählerbetrug endeten, aber so lange das Gegenteil noch nicht erwiesen ist, sollte für eine neue Partei die Unschuldsvermutung gelten, d. h. bitte mehr Neutralität in Ihren Formulierungen. Die anderen Zeitungen berichten schon mit eindeutiger Tendenz. Ihr Anspruch sollte es sein, dies nicht zu tun. I. Müller
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