Kein Vertrauen in neue Führung
Von Karin LeukefeldElia Samman ist Vertreter der wohl ältesten innersyrischen Oppositionspartei, der Syrischen Sozialen Nationalistischen Partei (SSNP). Gegründet in den 1930iger Jahren von Antoun Saadeh erhielt die Partei aus allen Teilen von »Bilad as-Sham«, im Westen auch »Levante« genannt, Zulauf. Libanesen, Syrer, Palästinenser schlossen sich vor allem in den 1940er Jahren und danach der Partei an, die ein geeintes »Bilad as-Sham« forderte und die Sykes-Picot-Aufteilung der Region und Gründung des Staates Israel ablehnte. Heute ist die Partei in vier Teile gespalten, zwei im Libanon, zwei in Syrien. Elia Samman gehört der SSNP-Strömung von Ali Haidar an, die den Zusatz »Aufstand« trägt. Die Proteste in Syrien 2011 wurden von der SSNP allgemein unterstützt, die Fraktion »Aufstand« konzentrierte sich auf Dialog und Versöhnung.
Im Gespräch mit der Autorin erklärt Elia Samman, es gebe bei der syrischen politischen Opposition kein Vertrauen in die neue Führung. Die fortschrittlichen Parteien und Zusammenschlüsse hätten zahlreiche Treffen abgehalten, um zu einer Bewertung der aktuellen Situation in Syrien zu kommen. »Der Westen kann es gar nicht abwarten, mit diesem Al-Dscholani zu reden, das sehen wir sehr kritisch«, so Samman. Die Eile, mit der dieser »Mr. Nice« von den westlichen Staaten akzeptiert werde, deute darauf hin, dass »sie die gleichen Fehler wiederholen wie 2011. Damals haben sie die innersyrische Opposition ausgegrenzt und nur die bewaffneten Gruppen von außen unterstützt«, erinnert Samman. Das sei ein wesentlicher Grund gewesen, warum der innersyrische Dialog damals gescheitert sei.
Eine Versammlung von 70 Personen aus 32 Organisationen, Nichtregierungsorganisationen, einzelnen Persönlichkeiten und Parteien habe eine Stellungnahme veröffentlicht, berichtet Samman. Darin wird der israelische Angriff auf Syrien und die Besetzung syrischen Territoriums sowie die Zerstörung der militärischen Infrastruktur der syrischen Armee verurteilt und als »äußerst gefährlich« bezeichnet. Das »Schweigen der internationalen Gemeinschaft zu dieser israelischen Aggression« werde in der Stellungnahme verurteilt. Alle arabischen Staaten, die die territoriale und souveräne Einheit Syriens erhalten wollten, müssten, »gegen die israelische Aggression in Südsyrien auf jede Art Widerstand zu leisten, auch unter Einbeziehung der Möglichkeit, arabische Truppen zu schicken, um diese Besetzung zu verhindern.«
Der Gesprächspartner betonte gegenüber der Autorin, die Rolle der Vereinten Nationen müsse gestärkt werden, um den politischen Übergangsprozess organisieren zu können. Man fordere nachdrücklich – der aktuellen Situation angepasst – die Einhaltung der UN-Sicherheitsratsresolution 2254, um eine politische Lösung für Syrien zu gewährleisten. Dazu gehöre die Einbeziehung »aller nationalen innersyrischen Kräfte, der Zivilgesellschaft und aller einflussreichen und aktiven Persönlichkeiten« in den politischen Prozess.
Eine Verfassung müsse von einem Verfassungskomitee erarbeitet werden, es müsse Wahlen für eine Interimsregierung geben, die den politischen Prozess mit Unterstützung der Vereinten Nationen umsetze.
Wenn es dafür keine Unterstützung der internationalen Gesellschaft, vor allem des Westens gebe, werde Syrien mit Al-Dscholani, der sich nun wieder mit bürgerlichem Namen Al-Sharaa nennt, einen »neuen Diktator« bekommen. In dieser Situation die Sanktionen aufzuheben, sei das falsche Signal für die Syrer. HTS und seine Unterstützer im In- und Ausland gehe es nur darum, in Syrien ihre Geschäfte zu machen. Die Syrer brauchten aber eine neue politische Basis, auf der sie ihre Rechte verteidigen und ihr Land wiederaufbauen könnten.
Für ihn sei es unbegreiflich, wie die Europäische Union und die westlichen Staaten sich an die Seite der Nusra-Front im Mittleren Osten stellen könnten. Wie solle man glauben, dass eine Person, die Al-Qaida, die Nusra-Front und HTS in Syrien gegründet habe, plötzlich die Meinung ändere und ein »Mr. Nice« sei? »Oder gehe es dem Westen nur darum, die iranischen Interessen in Syrien zu zerstören, um die Interessen solcher Gruppen wie Nusra und Al-Qaida zu stärken?«
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