Rotstift nach Fusion
Von Gudrun GieseSeit dem Herbst droht die Übernahme der Commerzbank durch die italienische Unicredit. Sollte sie Realität werden, könnten 15.000 Arbeitsplätze bei dem in der Vergangenheit schon mehrfach kriselnden Geldinstitut abgebaut werden, warnte der Gesamtbetriebsratsvorsitzende Uwe Tschäge nun im Interview mit dem Handelsblatt (Freitagausgabe). Unicredit-Chef Andrea Orcel habe inzwischen 21 Prozent der Commerzbank-Anteile übernommen. Doch wolle er am Standort Bundesrepublik offenkundig weder in neue Geschäftsfelder investieren, noch die vorhandenen Arbeitsplätze sichern, so Tschäge. Stattdessen plane er bei der Commerzbank Kostensenkungen und erheblichen Stellenabbau, so wie das nach der Übernahme der Hypovereinsbank (HVB) 2005 durch Unicredit geschehen sei. »Orcel hat selbst gesagt, dass er die HVB als Blaupause für die Commerzbank sieht«, sagte der Beschäftigtenvertreter, der nach 41 Jahren bei der einstigen Großbank nun in den Ruhestand geht.
Seit Wochen warnen Tschäge, weitere Betriebsräte, die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi und auch zahlreiche Politiker vor der Übernahme der Commerzbank durch die Unicredit. Offiziell hat sich Orcel zwar mehrfach gegen eine feindliche Übernahme ausgesprochen, und auch Commerzbank-Chefin Bettina Orlopp geht immer noch von der Eigenständigkeit des Institutes aus, wie sie am 21. Dezember im Interview mit der Süddeutschen Zeitung ausführte. Doch die Übernahmegerüchte halten sich hartnäckig, seit die Bundesregierung Mitte September Teile ihres im Zuge der Lehman-Pleite erworbenen Aktienbesitzes an der Commerzbank an die Unicredit verkaufte. Eigentlich sollte das Aktienpaket im Umfang von 4,49 Prozent in den Streubesitz wechseln. Doch die Unicredit erhielt als Meistbietende den Zuschlag. Mit weiteren Aktienkäufen am Markt hält sie inzwischen 21 Prozent und möchte auf bis zu 30 Prozent aufstocken, hieß es auf der Plattform fondsprofessionell.de. Die Bundesregierung, die noch zwölf Prozent der Aktien im Besitz hat, plant nach eigenen Angaben in nächster Zeit keine weiteren Verkäufe.
Ende September hatte Stefan Wittmann, der für Verdi im Aufsichtsrat der Commerzbank sitzt, die Bundesregierung bei einer Kundgebung in Frankfurt am Main vor der Zentrale des Geldhauses aufgefordert, die Bank »zum Teil der kritischen Infrastruktur in Deutschland« zu erklären. Übernehme Unicredit die Commerzbank nach dem Muster der HVB, drohe massiver Arbeitsplatzverlust. Die HVB habe nach der Einverleibung durch die Mailänder Großbank rund zwei Drittel der Arbeitsplätze verloren, so Wittmann. Der Gesamtbetriebsratsvorsitzende Tschäge betonte ebenfalls im Herbst, dass die Beschäftigtenvertretung sich »entschieden für die Eigenständigkeit und Zukunftsfähigkeit unserer Bank« einsetzen würde.
Bei einer Aktuellen Stunde am 25. September im Bundestag auf Antrag der CDU/CSU-Fraktion wurde der Verkauf der 4,49 Prozent Commerzbank-Anteile des Bundes an die Unicredit von Vertretern aus Regierungs- wie Oppositionsfraktionen kritisiert. Mechthilde Wittmann von der Unionsfraktion bezeichnete das Geschäft als »Desaster für den Bankenmarkt Deutschland«. Unicredit-Chef Orcel hätte verlauten lassen, dass er nach einer erfolgreichen Commerzbank-Übernahme den Standort München schließen, Frankfurt zu einer Filiale herabstufen und alle relevanten Entscheidungen nach Mailand verlagern wolle. Die Bundesregierung hätte bei dem Verkauf dilettantisch agiert. Auch der Abgeordnete der regierenden SPD, Thorsten Rudolph, distanzierte sich indirekt vom Verkauf. Den Abbau Tausender Arbeitsplätze bei der Commerzbank wolle seine Partei nicht. Man werde sich gemeinsam mit der Bank und den Beschäftigten dagegen wehren. Sascha Müller aus der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen gestand im Plenum ein, dass der Versuch gescheitert sei, das Aktienpaket des Bundes in Streubesitz zu überführen.
Scharfe Kritik kam aus den Gruppen Die Linke und BSW: Linke-Abgeordnete Janine Wissler sah den Fehler nicht erst im fehlgeleiteten Aktienverkauf an die Unicredit, sondern vor allem darin, dass der Bund als Miteigentümer 15 Jahre lang »nichts mit der Commerzbank gestalterisch anzufangen« gewusst hätte. Der BSW-Abgeordnete Klaus Ernst nahm die Übernahme der Commerzbank quasi vorweg und sagte, die Unicredit habe das geschafft, »indem sie unsere Bundesregierung schlicht und ergreifend übertölpelt hat«. Einzig der FDP-Abgeordnete Markus Herbrand hatte keinerlei Problem mit dem Verkauf. Im Gegenteil – viel zu lange sei der Staat schon an der Commerzbank beteiligt.
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