Leere Leitung aus Russland
Von Reinhard LauterbachDie Ukraine hat nach Auslaufen bestehender Verträge wie angekündigt am Neujahrsmorgen die Durchleitung russischen Gases in ihre westlichen Nachbarländer eingestellt. Der Kiewer Energieminister German Galuschtschenko sagte, die Entscheidung sei historisch. Es gehe darum, Russland Märkte zu entziehen und finanzielle Verluste zuzufügen. Präsident Wolodimir Selenskij erklärte in seiner Neujahrsbotschaft, es sei nun Schluss damit, dass Russland »an ukrainischem Blut Milliarden verdiene«. Polens Außenminister Radosław Sikorski nannte den Transitstopp einen »großen Sieg« gegenüber Russland.
So ganz vollständig ist der beschworene Sieg des Westens in der Gasfrage nicht. Russland ist nach wie vor in der Lage, Gas über die Schwarzmeerpipelines »Blue Stream« und »Turkish Stream« an die Balkanländer zu liefern. Dramatisch ist dagegen die Energiesituation in Moldau. Das Land bezieht einen Großteil seines Stroms aus einem Gaskraftwerk im abtrünnigen Landesteil Transnistrien. Dort stellte das Heizkraftwerk in der »Hauptstadt« Tiraspol seinen Betrieb am Mittwoch ein. Die Regierung rief die Bewohner auf, sich warm anzuziehen und die Fenster abzudichten. Moldau könnte Gas aus Rumänien bekommen, es ist aber um ein Mehrfaches teurer. Ähnlich ist die Situation in der Slowakei, wo Regierungschef Robert Fico vor »dramatischen Konsequenzen« der ukrainischen Entscheidung warnte. Insbesondere ist ein bereits zugesagter Verzicht auf Preiserhöhungen für Gas und Warmwasser jetzt wohl hinfällig. Die Slowakei kann allerdings über Leitungen aus Ungarn und Österreich weiter mit russischem Gas versorgt werden.
Mit dem Transitstopp schneidet sich die Ukraine auch ins eigene Fleisch. Sie verliert nach Angaben des Pipelinebetreibers jährlich etwa eine halbe Milliarde Euro an Transitgebühren. Es sei aber mit Hilfe der EU eine Lösung für dieses Problem gefunden worden. Soll wohl heißen: Die EU zahlt nicht nur für eigenes Gas, sondern ersetzt auch noch der Ukraine die ausfallenden Einnahmen aus dem Transit.
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Leserbrief von Istvan Hidy aus Stuttgart (3. Januar 2025 um 12:36 Uhr)So viel hat Selenskij nicht erreicht, wie er behauptet! Mit dem Ende des Gastransits durch die Ukraine verbleiben die Pipelines durch die Türkei als Haupttransportroute für russisches Gas nach Europa. Über die TurkStream-Pipeline wird russisches Gas in die Türkei geliefert und von dort in andere europäische Länder weitergeleitet. Zu den Hauptabnehmern dieses Gases zählen: Ungarn. Es bezieht einen erheblichen Teil seines Gasbedarfs über die TurkStream-Pipeline. Serbien: Nutzt ebenfalls die durch die Türkei verlaufende Pipeline für seine Gasimporte. Bulgarien: Erhält russisches Gas über die TurkStream-Route. Österreich: Obwohl es alternative Bezugsquellen erschlossen hat, erhält es weiterhin Gas über diese Route. Slowakei: War zuvor stark von Gaslieferungen über die Ukraine abhängig und erhält nun Lieferungen über alternative Routen, einschließlich der durch die Türkei verlaufenden Pipelines. Diese Länder erhalten weiterhin russisches Gas, das über die Türkei nach Europa gelangt.
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Leserbrief von Istvan Hidy aus Stuttgart (2. Januar 2025 um 11:21 Uhr)Ein mediales Trauerspiel! Die strategische Weitsicht der ukrainischen Politik erscheint mehr als fragwürdig – offenbar getrieben von kurzsichtigen Machtspielchen, die man sonst eher im Sandkasten eines Kindergartens erwarten würde. Es scheint, als wolle die Ukraine gezielt den slowakischen Regierungschef Robert Fico treffen, möglicherweise als Reaktion auf dessen jüngstes Treffen mit Putin. Gleichzeitig verzichtet die finanziell angeschlagene Ukraine auf Einnahmen von etwa einer halben Milliarde Euro an Transitgebühren – koste es, was es wolle, Hauptsache, Härte zeigen! Besonders bemerkenswert ist der Zusammenhang zwischen Aktion und Reaktion, der in der Berichterstattung oft verzerrt dargestellt wird. Der entscheidende Auslöser: »Wenn Kiew kein russisches Erdgas durchlässt, dreht Fico dem Nachbarn den Stromhahn zu.« Die Slowakei reagiert auf den Gastransitstopp, indem sie den Stromfluss zur Ukraine aussetzt – eine Reaktion, die verständlich erscheint, wenn die Versorgungssicherheit des eigenen Landes gefährdet ist. Was jedoch besonders irritiert, ist die Berichterstattung renommierter Medien, wie etwa der Neuen Zürcher Zeitung. Mit Schlagzeilen wie »Der slowakische Ministerpräsident erpresst die Ukraine« wird die Aktion Kiews in einen Verteidigungsakt umgedeutet, während Fico als Aggressor dargestellt wird. Diese willkürliche Umkehr von Ursache und Wirkung verdeutlicht, wie Leitmedien des sogenannten Wertewestens Narrative konstruieren, um ihre eigenen Interessen zu bedienen. Ein mediales Trauerspiel, das nicht nur die Glaubwürdigkeit dieser Berichterstattung untergräbt, sondern auch den Diskurs manipuliert.
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Leserbrief von Ullrich-Kurt Pfannschmidt (2. Januar 2025 um 14:08 Uhr)Istvan Hidy, Ihre Formulierung »mediales Trauerspiel« ist in diesem Zusammenhang unpassend. Hier handelt es sich nicht um eine Theateraufführung im tiefsten Frieden, sondern um einen Krieg mit Tod und Zerstörung, vor allem auf ukrainischer Seite. Auch wenn der von W. Putin als »militärische Spezialoperation« verharmlost wird! Weshalb also sollte sich die Ukraine noch länger an der Finanzierung der Kosten von Russlands Krieg gegen die Ukraine beteiligen?
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Leserbrief von sebasto aus Berlin (2. Januar 2025 um 17:36 Uhr)Herr Pfannschmidt, Ihr Kommentar wirft Fragen auf. Daß sich Istvan Hidy mit seiner Metapher »ein mediales Trauerspiel« nicht auf den Krieg, sondern auf die mediale Diskursverzerrung in der deutschsprachigen Medienlandschaft bezieht, ist ja offensichtlich. Warum Sie dann In Ihrem Komentar gar nicht auf das Gesagte (das im übrigen auch noch informativ ist) eingehen, sondern nur Ihre in einem Gut-Böse-Narrativ verfangene Meinung des Schuldigen des Krieges abladen, ist fragwürdig. Sie belegen mit Ihrem Kommentar ungewollt aber deutlich die Aussage Hidys, denn Sie leisten hier einen Versuch einer Diskursverengung.
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Leserbrief von Istvan Hidy aus Stuttgart (2. Januar 2025 um 17:00 Uhr)Sehr geehrter Herr Pfannschmidt, vielen Dank für Ihre Reaktion auf meinen Leserbrief. Dennoch möchte ich betonen, dass der von mir kritisierte Punkt nicht der Krieg an sich ist – dessen Schrecken und Leid stehen außer Frage und bedürfen keiner Relativierung. Mein Fokus lag auf der verzerrten Darstellung des Zusammenhangs von Aktion und Reaktion in der medialen Berichterstattung. Ihre Anmerkung, dass die Ukraine sich nicht weiter an der Finanzierung des russischen Kriegs beteiligen sollte, mag nachvollziehbar sein. Doch mein Leserbrief zielte darauf ab, die Ursache-Wirkung-Kette kritisch zu beleuchten und darauf hinzuweisen, wie westliche Leitmedien die Narrative in diesem Konflikt zugunsten bestimmter Positionen umdeuten.
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