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Aus: Ausgabe vom 02.01.2025, Seite 5 / Inland
Arbeitsmarktpolitik

Almosen für Niedriglöhner

BRD: Minierhöhung beim Mindestlohn in Kraft getreten. Anhebung der Lohnuntergrenze bleibt im EU-Vergleich niedrig
Von Sebastian Edinger
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Reproduktion: Reinigungskräfte bewegen viel – und bewegen sich am Ende der Lohnskala (Berlin, 25.9.2023)

Zum Jahreswechsel trat die zweite Stufe der Mitte 2023 von der Mindestlohnkommission beschlossenen Anhebung der Lohnuntergrenze in Kraft. Zehn Jahre nach seiner Einführung verliert der deutsche Mindestlohn dabei jedoch immer mehr an Bedeutung: Wie schon im Vorjahr beträgt die Erhöhung bloß 41 Cent pro Arbeitsstunde auf jetzt 12,82 Euro. Dies bedeutet einen Zuwachs um 3,3 Prozent, während die Lohnuntergrenzen im EU-Durchschnitt laut dem WSI-Mindestlohnbericht angesichts hoher Inflationsraten um 9,7 Prozent angehoben wurden.

Für die Beschäftigten, die in der BRD zum Mindestlohn tätig sind, bedeutet die Minianhebung ein weiteres Jahr mit sinkenden Reallöhnen. Schließlich lag die Teuerungsrate hierzulande 2023 bei 5,9 und im Jahr zuvor bei sieben Prozent, also jeweils deutlich über der in der Mindestlohnkommission beschlossenen Anhebung. Durchsetzbar war der von vielen Seiten kritisierte Beschluss lediglich, weil die Beschäftigtenvertreter in der Kommission mit der Stimme der Vorsitzenden, Christiane Schönefeld, überstimmt worden waren.

Dem formellen Anspruch, Vollzeitbeschäftigten ein existenzsicherndes Einkommen zu gewähren, wird der Mindestlohn somit immer weniger gerecht. Um dies zu gewährleisten, müsste er bei rund 15 Euro liegen. Das entspräche auch dem in der EU-Mindestlohnrichtlinie genannten Maßstab von 60 Prozent des nationalen Medianlohns. Doch die Bundesregierung wird nicht müde zu erwähnen, die EU-Zielmarke sei nicht bindend. Zugleich genießt die Mindestlohnkommission bei der zweijährlich zu beschließenden Festlegung der Anpassung erhebliche Freiräume und soll sich laut Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) unter anderem am Ziel »funktionierender Wettbewerbsbedingungen« orientieren.

Auf die EU-Vorgaben verwies am Montag auch Stefan Körzell, Mitglied in der Mindestlohnkommission sowie im Vorstand des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB). »Die Mindestlohnkommission wird im kommenden Sommer einen neuen Vorschlag für einen höheren Mindestlohn für die Jahre 2026 und 2027 beschließen. Dabei muss der in der europäischen Mindestlohnrichtlinie genannte Maßstab angewendet werden, um endlich zu einem existenzsichernden Mindestlohn zu kommen: 60 Prozent des mittleren Einkommens von Vollzeitbeschäftigten sind der Maßstab«, sagte er. Gelänge es der Kommission aus eigener Kraft nicht, diese Zielmarke zu erreichen, sei »der Gesetzgeber erneut gefordert, für einen angemessenen Mindestlohn zu sorgen«.

Um auch im Alter ungefährdet durch Armut zu leben, müsste die Lohnuntergrenze sogar noch weiter angehoben werden. So zeigt eine Antwort des BMAS auf eine Anfrage des Bündnisses Sahra Wagenknecht (BSW), dass für eine gesetzliche Rente oberhalb der Armutsgrenze von 1.314 Euro für Alleinstehende, über 45 Jahre durchgehende Vollzeitarbeit zu einem Stundenlohn von 19,36 Euro erforderlich ist. Schon heute ist jeder fünfte im Rentenalter von Armut betroffen, angesichts des derzeitigen Wiedererstarkens des Niedriglohnsektors droht eine weitere dramatische Zunahme. Wagenknecht spricht von einer »schweren Rentenkrise« und fordert eine armutsfeste Mindestrente nach dem Beispiel Österreichs.

In immer größerem Stil zusätzlich gedrückt werden die Löhne weiterhin durch Missachtung der Vorschriften. So zeigt die »Initiative mindestlohnbetrug.de« des Bundestagsabgeordneten Victor Perli (Die Linke), dass die Zahl der durch die zuständige Finanzkontrolle Schwarzarbeit des Zolls aufgedeckten Fälle in den vergangenen Jahren trotz sinkender Kontrolldichte deutlich gestiegen ist. 2022 sind demnach bundesweit 159.429 Straf- und Ordnungswidrigkeitsverfahren wegen Verstößen gegen das Mindestlohngesetz eingeleitet worden. Perli verweist auf eine DIW-Studie von 2021 und argumentiert, damit würden nur drei von 1.000 Betrugsfällen aufgedeckt. »Bei der Finanzkontrolle Schwarzarbeit arbeiten heute etwa 8.600 Beschäftigte«, heißt es weiter. Das seien »viel zu wenige«.

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