Arschlecken
Von Jürgen RothDer Schnallentreiber Merg hetzt mich ständig auf, neue Texte beizubringen. Die Leserschaft wolle mehr von dem Zeug – was selbstverständlich einer lupenreinen Habeckschen Information über horrende Russentätigkeiten gleichkommt.
»Mannmannmann, Roth, hau rein! Schreib irgendwas auf!«, brüllt er jeden dritten Tag ins Telefon, es ist eine einzige Last mit diesem Merg und dieser ganzen Welt – und der jungen sowieso.
Nach dem jüngsten Terroranruf von Büchsenspanner Merg beruhigte ich meine Nerven zunächst dadurch, dass ich eine der seraphischen Elisen-Leckereien von der Nürnberger Lebküchnerei Bernd Woitinek verspeiste, die mir mein treuer Freund Günther Koch jeden Dezember schickt. Danach schnürte ich gemächlich meine Schuhe, zog meine grüne Fliegerlederjacke an und machte mich zwecks Themenfindung zum Meditationsfrühschoppen im Seven Bistro auf. Man muss diesen Redakteuren ja gehorchen.
Am Tresen schwallte sich der Generalhochbescheidwisser H., ein sittlich indiskutables Subjekt, das jedem pausenlos »null Charakter« attestiert, schon wieder um seinen kargen, verkarsteten Restverstand. Der André, der an Silvester vor der alten Metzgerei eine Feuerschale aufstellen will, müsse ebendiese feuerpolizeilich bei der Gemeinde anmelden, krähte er minutenlang herum, »sonst kriegst a g’scheite Stroof!«
André rief im Rathaus an. Am Apparat war die ungeheuerliche Dorfschönheit Simone Gabriele, eine Perle aus dem Reich der Weiblichkeit. Es sei Quatsch, was der H. behaupte, gab sie Auskunft, jeder dürfe ohne Genehmigung so viele Feuerschalen in Betrieb nehmen, wie er möge.
André geriet außer Rand und Band, und bevor er dem H. eine Schelln verpassen konnte, verpisste sich der Dummbatzen.
Unser Milchfabrikarbeiter Dirk, der zu all dem Gedankengewürge nichts sagte, hatte vorgestern dem Spielautomaten 1.400 Euro abgemolken. (Ich war Zeuge gewesen.) Nun plumpsten abermals 84 Mäuse aus dem Geldschacht. »So, jetzt biste dran, Jürgen«, meinte er, »drei Berliner Luft für dich – auf mich!«
Nach drei Berliner Lüften stand ich auf, ging raus, setzte mich erschöpft auf den Raucherhocker, zündete mir eine an und stierte an die Wand.
Gerhard, der Lkw-Fahrer und Kfz-Mechaniker, den ich sehr mag, trat kurz darauf durch die Tür, entflammte eine Aktive und brummte: »So ein Oarschloch!« Dann schaute er mich an. »Du sinnierst? Du di’ na net o«, sagte er – reg dich nicht auf.
Er inhalierte kraftvoll und fuhr fort: »Ich rech’ mich nie auf, aber des … Do muss ma’ wirklich sog’n, der is’ a Depp. Ja, leck mich doch am Oarsch!«
Ich nickte. Gerhard zog erneut mit großer Ruhe an seiner Zigarette und guckte wieder herüber zu mir: »Du hast recht. Manchmal muss ma’ sei’ Gedanken auf null runterfahr’n. Arschlecken is’ Trumpf, soch’ i immer.«
Mag sein, dass dieses wahrheitsgetreue Textdokument »nicht die Druckertinte wert ist, auf dem es geschrieben wurde« (Adalbert Habeckus I., 16. Dezember, Bundestag). Aber – drauf geschissen.
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Heinrich H. aus Stadum (3. Januar 2025 um 15:48 Uhr)Die seraphische Proktologie zum Jahreswechsel. Hoffentlich bleiben die Analphobiker weg.
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