Kriegskurs oder Lohnerhöhungen
Von Susanne KnütterHalb hoffend, halb bilanzierend prognostizierte die Deutsche Presseagentur am Montag für das Jahr 2025: Die Gewerkschaften sind zu Zugeständnissen bereit, um Arbeitsplätze zu erhalten. »Keine Rede ist mehr von Arbeitszeitverkürzungen bei vollem Lohnausgleich oder von der 32-Stunden-Woche als Regelfall, wenn gleichzeitig Fabriken geschlossen werden sollen.« So falsch liegt die Agentur nicht – nicht mit der Hoffnung, aber mit der Bilanz.
Laut einer Umfrage im Auftrag des kapitalnahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) planen vier von zehn Firmen im Jahr 2025, Stellen zu streichen. Besonders hart geht es in der deutschen Vorzeigebranche Automobilindustrie zu, die mit 770.000 Beschäftigten mitten in einem grundlegenden Umbau zur Elektromobilität steckt. Ford, VW oder die großen Zulieferer Continental, Schaeffler, Bosch: Sie alle wollen jeweils Tausende Stellen in ihren deutschen Werken streichen.
Vor diesem Hintergrund haben die Gewerkschaftsvorstände offenbar angefangen, ihre Ansprüche herunterzuschrauben. Die Bundesbank beurteilte den Hamburger Abschluss in der Metall- und Elektroindustrie in ihrem Monatsbericht Dezember bereits als Wendepunkt in der Tarifpolitik. Im November hatten IG Metall und Unternehmen nach nur mäßigen Warnstreiks vereinbart, dass die Gehälter von fast vier Millionen Beschäftigten innerhalb von 25 Monaten in zwei Stufen um 5,1 Prozent steigen. Gefordert hatten sie sieben Prozent in zwölf Monaten. Getoppt wurde das Zugeständnis dann von dem Sparprogramm, auf das sich die IG Metall mit Volkswagen kurz vor Weihnachten verständigte.
Und laut Bundesbank wird es so weitergehen: Niedrigere Inflationsraten, die trübe Konjunktur und eine »geschwächte Arbeitsnachfrage lassen auch allgemein in den kommenden Monaten im Vergleich zu den Vorjahren moderatere Abschlüsse erwarten«. Die Tarifverdienste dürften 2025 durchschnittlich nur noch um 2,5 Prozent wachsen, berechnet die Bundesbank. Hier sei daran erinnert: Noch im ersten Quartal 2024 waren die Reallöhne niedriger als Anfang 2018.
Reallohnsteigerungen im Jahr 2025 sind schon aus politischen Gründen nicht sicher. Denn zum Jahresende lief die von der Bundesregierung eingeräumte Möglichkeit aus, die sogenannten »Inflationsausgleichsprämien« steuer- und abgabenfrei zu stellen. In nahezu allen Tarifabschlüssen ist von dem Hebel Gebrauch gemacht worden. Thorsten Schulten, Tarifexperte beim Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut (WSI) der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung, hat die Einmalzahlungen daher schon vorab als »zweischneidiges Schwert« bezeichnet. »Schon jetzt ist absehbar, dass sich der Wegfall der Inflationsausgleichsprämien im Jahr 2025 stark dämpfend auf die Tariflohnentwicklung auswirken wird.«
Nach Zählung des WSI-Tarifarchivs werden 2025 die Tarifbedingungen für rund 7,5 Millionen Beschäftigte verhandelt – nach mehr als zwölf Millionen im Jahr 2024 eine eher überschaubare Größe. Bei der Mehrzahl der auslaufenden Tarifverträge handelt es sich um eher kleinere Branchen mit weniger als 50.000 Beschäftigten. Die große Ausnahme bildet gleich zu Jahresbeginn der öffentliche Dienst von Bund und Gemeinden mit knapp drei Millionen Menschen. Damit wird für den Bereich verhandelt, der im vorigen Jahr zum Gegenstand von regelrechten Kürzungsorgien in kommunalen und Landeshaushalten geworden ist. Der Erfolg in den Tarifverhandlungen wird davon abhängen, ob die Gewerkschaften die Verteilungsfrage offensiv stellen und die Auseinandersetzung politisieren. Kritische Gewerkschafter fordern das und verweisen auf die Nationale Sicherheitsstrategie, in der es heißt, dass die Zeitenwende über Sozialkürzungen finanziert werden müsste.
Verhandelt wird auch bei den früheren Staatsbetrieben Bahn und Post. Zum Jahresende sind dann die 1,1 Million öffentlich Bediensteten der Länder dran. Zu den weiteren größeren Tarifbranchen, die 2025 verhandeln, gehören das Kfz-Gewerbe, die Zeitarbeit und das Versicherungsgewerbe.
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