»Was geht uns die Halle in Kleinkleckersdorf an?«
Von Andreas MüllerZum sportpolitischen Armutszeugnis der Ampelära gehört, dass Die Linke in diesem Sommer mit einem Antrag im Bundestag scheiterte, zur Sanierung der maroden Sportstätten fünfzehn Jahre lang jeweils eine Milliarde Euro in den Bundeshaushalt einzustellen. Warum gelang es nicht, eine Mehrheit hinter diesem sinnvollen Begehren zu versammeln?
Mehr in die Sportstättensanierung zu investieren, das stand sogar bei der Ampel im Koalitionsvertrag. Dazu hatte es ebenso vollmundige Ankündigungen von der CDU/CSU-Fraktion gegeben. Passiert ist nichts. Im Gegenteil: Das einzige Förderprogramm des Bundes, das ausschließlich der Sanierung von Sportstätten diente, wurde vorzeitig beendet. Vor diesem Hintergrund mussten wir als Opposition dem Parlament ein vernünftiges Angebot unterbreiten, auch wenn wir wussten, dass Anträge von seiten der Opposition gar nicht oder nur sehr selten angenommen werden. Im Parlament der Opposition zu folgen, gehört bei uns nicht zur politischen Kultur. Dass unser Vorstoß scheiterte, zeigt einmal mehr, dass der Sport, trotz aller großen Töne, die gespuckt wurden, nur einen untergeordneten Stellenwert hat.
Die einzelnen Fraktionen konnten sich nicht zusammenraufen, obwohl es hier um die berechtigten Interessen von 28.764.951 Mitgliedschaften im Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) geht. Das sind so viele Menschen, wie sie keine andere Organisation in diesem Lande aufzuweisen hat. Wie kann es sein, dass Parteien, die zusammen gerade mal circa 1,2 Millionen Mitglieder repräsentieren, elementare Interessen der größten Bürgerbewegung dieses Landes einfach ignorieren?
Es sind ja nicht die Mitglieder, die in den Parteien das Sagen haben. Es sind dort jeweils nur ein paar hundert Vertreter, insofern ist diese Bezugsgröße gegenüber den DOSB-Mitgliedern noch viel kleiner – was die unerträgliche Ignoranz der Politik noch viel anschaulicher macht, die sie dem organisierten Sport entgegenbringt. Das Verhältnis lässt sich anhand einer einzigen Summe veranschaulichen. Nach den Coronajahren stellte der Bund für den Restart des Vereinssports einmalig 25 Millionen Euro bereit. Die Idee ist an sich zu begrüßen, doch tatsächlich waren das pro Vereinsmitglied ein Euro oder noch etwas weniger. Was soll das für einen Restart bringen? Wenn es um Geld geht, dann sieht es für den Sport übel aus.
Sie wissen also immer schon vorher, dass Ihre Bemühungen ins Leere laufen?
Nutzlos sind sie deswegen nicht. Nach dem Prinzip, dass steter Tropfen den Stein höhlt, sind wir zumindest in kleinen Schritten weitergekommen. Beispielweise wurden Anregungen der Linken im Sportausschuss zur besseren finanziellen Unterstützung des paralympischen Sports anschließend von anderen Parteien aufgegriffen und ebenso unser Antrag, für Medaillengewinner bei Paralympischen und Olympischen Spielen über die Stiftung Deutsche Sporthilfe endlich die gleichen Prämien auszuschütten. Vor allem auch in bezug auf die Sportstätten hätten wir uns gewünscht, ja erwartet, dass eine der Regierungsparteien unsere Anregung aufgreift.
Die SPD-Fraktion wäre dafür prädestiniert gewesen. Sie dominierte die DOSB-Spitze, stellt mit Bernd Neuendorf den Präsidenten des Deutschen Fußballbundes (DFB) als mitgliederstärksten Fachverband. Die SPD stellte in der Ampel mit Nancy Faeser die für Spitzensport zuständige Bundesinnenministerin sowie den Sportstaatssekretär im BMI. Dem Sportausschuss im Bundestag stand mit Frank Ullrich ebenfalls ein SPD-Mann vor. Nicht zu vergessen Olaf Scholz als Kanzler.
Mancher hatte gehofft, dass diese parteipolitische Ballung und dieses Bekenntnis im Koalitionsvertrag für die Sportstätten den Durchbruch bringen. Diese Hoffnungen wurden komplett enttäuscht. Heute muss man bilanzieren: Diese SPD-Lastigkeit im Sport hat absolut nichts gebracht, darum ist unsere und die Enttäuschung vor allem im Vereins- und Breitensport jetzt um so größer. Olaf Scholz ist am Sport nicht wirklich interessiert, dasselbe trifft auf große Teile der Bundesregierung zu. Da gibt es keine Lobby, wenn es um dieses Thema geht.
DOSB-Präsident Thomas Weikert und der Vorstandsvorsitzende Torsten Burmester, der wegen seiner Kandidatur fürs Kölner Oberbürgermeisteramt jüngst vom Dachverband freigestellt wurde, hätten »unter Genossen« Dampf machen können?
Leider war davon nichts zu bemerken. Hinzu kommt, dass der Dachverband zwar so viele Mitglieder hat wie keine andere Organisation, aber seine Mitglieder politisch keine geschlossene Kraft verkörpern und demzufolge keine homogene, wahlentscheidende Größe darstellen. Der DOSB gibt ja seinen Mitgliedern nicht vor, wen sie wählen sollten. Wäre das so, hätten wir eine völlig andere Situation. Dann würde diese unerträgliche Ignoranz der Bundespolitik gegenüber dem riesigen Sanierungsstau wahrscheinlich sofort ein Ende haben. Außerdem schafft es der DOSB nicht, für den organisierten Sport mit einer starken Stimme zu sprechen und seine Potentiale, die er aufgrund seiner Mitgliederzahlen hat, in die Waagschale zu werfen. Auch deswegen der immer weitere Verfall der Sportstättensubstanz. Sicher wissen Parlamentarier und Regierungsbeamte in Berlin um diese Misere, aber man hebt immer nur die Hände und sagt: Wer soll das bezahlen? Was geht uns die marode Halle und der gesperrte Sportplatz in Kleinkleckersdorf an? Das ist nach der Rechtslage die Sache der Kommunen und der Länder.
Die mit dem Thema finanziell komplett überfordert sind. Inzwischen sollen bis zu 40 Prozent der kommunalen Sporthallen und Sportplätze bauliche Mängel aufweisen, bei Bädern sogar jedes zweite. Beim Sanierungsstau kursiert immer wieder die vom DOSB ventilierte Summe von 32 Milliarden Euro. Seriöse Erhebungen gehen davon aus, dass bundesweit jährlich zwei Milliarden Euro gebraucht werden, um wenigstens den unbefriedigenden Ist-Zustand zu erhalten.
Genau deswegen haben wir im Sommer nach dem Vorbild des »Goldenes Plans« im Bundestag einen gemeinsamen Kraftakt von Bund, Ländern und Kommunen angeregt. Wenn diese Partner über mindestens fünfzehn Jahre gemeinsam finanzielle Mittel bereitstellen und bündeln, könnte in dieser Zeit sehr viel von diesem ungeheuren Rückstand aufgeholt werden. Für die Bundeswehr waren über Nacht 100 Milliarden Euro als Sondervermögen da. Für die Sportstätten weiterhin nichts zu tun ist verheerend und unverantwortlich. Sie sind nicht nur Orte, an denen trainiert und Sport getrieben wird. Hier treffen sich ganz verschiedene Menschen, kommen in Kontakt, tauschen sich aus, verbringen Zeit miteinander, kehren im Vereinsheim ein, haben gemeinsame Erlebnisse. Als Orte des Gemeinsinns sind Sportstätten eine unverzichtbare Größe für inneren Zusammenhalt und Stabilität in der Gesellschaft. Das darf auf keinen Fall den Bach runtergehen. Jede Sportstätte, die baupolizeilich gesperrt werden muss, ist ein großer Verlust. Jede einzelne, die saniert und modernisiert wird, ist ein großer Gewinn.
André Hahn (61) gehört dem Bundestag seit 2013 an und ist sportpolitischer Sprecher der Partei Die Linke. Er wurde über die sächsische Landesliste gewählt. Der gelernte Schriftsetzer absolvierte ein Lehramtsstudium an der Humboldt-Universität in Berlin und promovierte 1994. Er trat 1985 der SED bei und war seit 1990 Mitglied der PDS, jetzt Die Linke, für die er seit 1994 im Kreistag Sächsische Schweiz-Osterzgebirge sitzt und von 1994 bis 2013 dem Sächsischen Landtag angehörte. Sportlich aktiv ist André Hahn als Fußballer beim FC Bundestag
Solidarität jetzt!
Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.
In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.
Genau das aber ist unser Ziel: Aufklärung mit gut gemachtem Journalismus. Sie können das unterstützen. Darum: junge Welt abonnieren für die Pressefreiheit!
-
Leserbrief von Onlineabonnent/in Dagmar J. aus Zeschdorf (2. Januar 2025 um 13:14 Uhr)Der Text zum Foto von André Hahn enthält m. A. n. einen schwerwiegenden Fehler. Dort steht: »Der gelernte Schriftsetzer absolvierte ein Lehramtstudium an der Humboldt-Universität in Berlin. Abgesehen davon, dass diese Berliner Uni Humboldt-Universität zu Berlin heißt, hat Herr Hahn dort mit Sicherheit ein Lehrerstudium absolviert und anschließend promoviert. In der DDR studierte man nicht »auf Lehramt«, man wurde Lehrer, der überwiegende Teil, da bin ich sicher, aus Berufung. Man hatte nach dem Studium kein Amt inne, man übte einen Beruf aus.
- Antworten