Mörderische Praxis
Von Dieter ReinischMehrere britische Elitesoldaten sollen wegen Kriegsverbrechen bei Einsätzen gegen Dschihadisten in Syrien vor Gericht gebracht werden. Davon schreiben mehrere britische Medien unter Berufung auf interne Dokumente des Verteidigungsministeriums in London. Den Berichten zugrunde liegt eine Recherche der Tageszeitung The Times, die am Dienstag veröffentlicht wurde. Bei den Dokumenten, die das Londoner Blatt erhalten und mittlerweile auch anderen Medien wie der BBC zur Verfügung gestellt hat, handelt es sich um interne Schreiben der Service Prosecuting Authority (SPA), die für die Verfolgung kriminellen und undisziplinierten Verhaltens britischer Soldaten während ihres Dienstes zuständig ist. Es liegen zwei Fallakten vor. In einer gehe es um Fehlverhalten eines Soldaten, in der anderen um acht Soldaten. Insgesamt drohe neun Elitesoldaten eine Anklage wegen Kriegsverbrechen in Syrien.
Das Verteidigungsministerium ging bis Redaktionsschluss nicht näher auf die Anschuldigungen ein. So ist gegenwärtig nicht klar, ob auch gegen weitere Soldaten ermittelt wird. Von einem Ministeriumssprecher gab es lediglich eine allgemeine Stellungnahme, die von der schottischen Zeitung The National ebenfalls am Dienstag zitiert wurde. Darin heißt es: »Unser britisches Personal genießt weltweit Respekt für die höchsten Standards, und gegen jeden, der diese Standards nicht erfüllt, werden Maßnahmen ergriffen, darunter gegebenenfalls auch die Entlassung aus dem Dienst.« Er fügte hinzu: »Es wäre unangemessen, weitere Kommentare zu laufenden Ermittlungen abzugeben.«
Bereits im März vergangenen Jahres hatte die Tageszeitung Daily Mail geschrieben, dass gegen fünf aktive Soldaten der Eliteeinheit SAS wegen Mordes ermittelt wurde, weil sie vor zwei Jahren in Syrien einen mutmaßlichen Dschihadisten getötet hätten. Der Zeitung zufolge seien die Oberkommandeure der Spezialeinheiten der Meinung, die Soldaten hätten »exzessive Gewalt« angewandt und den Verdächtigen festnehmen sollen, anstatt ihn zu töten. Berichten zufolge untersucht die britische Militärpolizei derzeit, ob die Erschießung des Mannes ein Kriegsverbrechen war. Von der Eliteeinheit SAS sind mehrere Kriegsverbrechen während des Nordirlandkonflikts in den 1980er Jahren bekannt. Darunter auch die Praxis der gezielten Erschießungen republikanischer Aktivisten, die in Nordirland »Shoot-to-kill« genannt wird.
Laut Informationen der Daily Mail sollen die fünf SAS-Soldaten, gegen die ermittelt wird, geglaubt haben, der Verdächtige trage eine Sprengstoffweste und habe vor, britische Truppen anzugreifen. Eine Sprengstoffweste soll auch später in einem Gebäude in der Umgebung der Erschießung gefunden worden sein. Doch laut der Zeitung schickte das Militärkommando Akten an die SPA, in denen sie eine Mordanklage gegen die fünf Soldaten empfahl. Ihrem Bericht zufolge hatten die fünf Soldaten nachts ein Gelände beobachtet, das von Dschihadisten frequentiert wurde, als eine Person angeblich von dort wegrannte. Ein Dschihadist sei später regungslos hinter einem Busch liegend aufgefunden worden und aus kürzester Entfernung mehrmals von den Soldaten angeschossen worden.
Aus den nun von The Times gesichteten Akten geht aufgrund von Schwärzungen und Anonymisierungen nicht hervor, ob die Geschehnisse, von denen die Daily Mail im März berichtete, identisch sind mit einem der in den beiden neuen Akten untersuchten Fälle. Wie die BBC mitteilte, soll die SPA über die Vorkommnisse in Syrien hinaus auch einen Fall im Zusammenhang mit einem Verhör des SAS in Afghanistan prüfen. Auch dazu wurden keine Einzelheiten bekanntgegeben. Eine öffentliche Untersuchung der Aktivitäten des SAS in Afghanistan wurde jedoch eingeleitet. Sie soll klären, ob britische Spezialkräfte zwischen 2010 und 2013 bei Nachtangriffen in Afghanistan Zivilisten und unbewaffnete Personen getötet haben.
Solidarität jetzt!
Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.
In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.
Genau das aber ist unser Ziel: Aufklärung mit gut gemachtem Journalismus. Sie können das unterstützen. Darum: junge Welt abonnieren für die Pressefreiheit!
Ähnliche:
- 27.12.2024
Warten auf Trump
- 18.04.2024
»Unverhohlene Worthülsen«
- 11.04.2024
Fünf Jahre Folter
Regio:
Mehr aus: Ausland
-
Danach, also deswegen
vom 03.01.2025 -
»Die Hauptwaffe waren Molotow-Cocktails«
vom 03.01.2025 -
Westbank : Aus für Al-Dschasira
vom 03.01.2025 -
Streit um Wahlen
vom 03.01.2025 -
Erlaubnis zum Töten
vom 03.01.2025 -
»Fast jeden Tag gibt es Presseprozesse«
vom 03.01.2025