Rosa-Luxemburg-Konferenz am 11.01.2025
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Aus: Ausgabe vom 04.01.2025, Seite 8 / Inland
Wadenbeisser

»Damit werden die Opfer verhöhnt«

VVN-BdA NRW reicht Dienstaufsichtsbeschwerde gegen AfD-Kommunalpolitiker ein. Ein Gespräch mit Ortwin Bickhove-Swiderski
Interview: Henning von Stoltzenberg
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AfD-Politiker Stefan Hrdy spricht mit einem Polizisten (Marl, 24.2.2024)

Sie haben eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen den AfD-Politiker Stefan Hrdy gestellt. Was ist der Hintergrund?

Nach eigenen Angaben und öffentlichen Erklärungen ist der AfD-Kommunalpolitiker Stefan Hrdy, der in Rommerskirchen im Gemeinderat sitzt, ein ehemaliger Angehöriger der GSG 9. Ein Polizist bei der Bundespolizei führt sogenannte hoheitsrechtliche Tätigkeiten aus und ist somit ein Beamter. Ein deutscher Beamter hat jederzeit politisch auf dem Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung zu stehen und Gesetze zu beachten. Von ihm wird sowohl inner- als auch außerdienstlich ein einwandfreier Lebenswandel gefordert und erwartet. Dafür bekommt er eine auskömmliche Pension. Beim AfD-Bundesparteitag am 29. und 30. Juni 2024 in Essen hat Hrdy aber mindestens zwei Gegendemonstrantinnen unvermittelt direkt ins Gesicht gespuckt. Einen weiteren Demonstranten hat er – nach seinen Angaben aus Notwehr – in die Wade gebissen. Videos davon kursieren im Netz. Die AfD hatte Hrdy intern dann als »Politiker mit Biss« bezeichnet. Damit werden die Opfer verhöhnt. Wir als VVN-BdA Nordrhein-Westfalen haben bei seiner ehemaligen Dienststelle eine Dienstaufsichtsbeschwerde eingereicht. Somit wird der Vorgang jetzt beamtenrechtlich geprüft.

Was möchten Sie mit der Dienstaufsichtsbeschwerde erreichen? Der Mann ist doch bereits pensioniert.

Hrdy ist zwar bereits in Pension, doch das Beamtenrecht und Disziplinarrecht gilt auch für Ruhestandsbeamte. Wir haben beantragt, seine bisherigen Pensionsansprüche drastisch zu kürzen oder ihm die Pension komplett zu streichen. Außerdem haben wir gefordert, ihm verliehene Orden, Auszeichnungen oder Belobigungen aus der aktiven Dienstzeit rückwirkend abzuerkennen.

Ist Hrdy für die Beiß- und Spuckattacke auf Antifaschisten nicht rechtlich belangt worden?

Nach unseren Informationen haben die beiden angespuckten Gegendemonstrantinnen eine Anzeige gegen ihn gestellt. Der von Hrdy gebissene Gegendemonstrant ist immer noch eingeschüchtert. Es war seine erste Demonstrationsteilnahme, und dann passiert gleich so etwas. Da der Film im Netz zu sehen ist, überlegen wir als VVN-BdA NRW eine Strafanzeige wegen Körperverletzung zu stellen. Juristisch sind wir der Meinung, hier liegt ein Offizialdelikt vor. Diese Straftat müsste von der Staatsanwaltschaft von Amts wegen verfolgt werden. Wir werden mit der geschädigten Person vertraulich weitere juristische Maßnahmen besprechen.

Was wissen Sie über eine Waffensammlung in seinem Haus?

In Rommerskirchen ist ein Polizist auf die Waffensammlung von Hrdy aufmerksam geworden. Seine Frau und er sollen über 200 Schusswaffen in ihrem Zuhause gelagert haben. Der Polizist hat sich auf eine Entscheidung des bayrischen Oberverwaltungsgerichts berufen, das vereinfacht besagt, »wer AfD-Mitglied ist, ist unzuverlässig«. Und unzuverlässigen Personen müssten die Waffen entzogen werden. Hrdy will juristisch dagegen vorgehen. Er hat angegeben, er wollte über Schusswaffen einen Katalog für Sammler erstellen – vermutlich eine reine Schutzbehauptung. Nach unseren Informationen ist Hrdy auch gegen den Polizisten juristisch vorgegangen.

Für den 11. Januar rufen Antifaschisten und Gewerkschaften wieder zum Protest und zivilen Ungehorsam gegen den Bundesparteitag in Riesa auf. Worauf bereiten Sie sich vor?

Als demokratische Kräfte sollten wir alles in Bewegung setzen, um am 11. Januar in Riesa vor Ort zu sein und gegen die AfD zu demonstrieren. Das AfD-Verbotsverfahren muss weiter diskutiert werden. In Schulen, Betrieben und Verwaltungen müssen wir alle aktiv gegen die AfD tätig werden. Hoffen wir, dass es zu keinen körperlichen Verletzungen kommen wird. Noch können wir den Schneeball zertreten, die Lawine hält keiner mehr auf.

Ortwin Bickhove-Swiderski ist Pressesprecher der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes

(VVN-BdA) in NRW

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