Reul drängt auf IP-Speicherung
Von Henning von StoltzenbergNordrhein-Westfalens Innenminister eröffnet das neue Jahr mit einem Vorstoß zur weiteren Ermächtigung deutscher Strafverfolgungsbehörden. Er könne »nicht mehr länger mit ansehen, dass unsere Ermittlerinnen und Ermittler an gläserne Decken stoßen, nur weil sie nicht die Befugnisse haben, die es heute bei moderner Kriminalitätsbekämpfung braucht«, klagte Herbert Reul (CDU) am Sonntag in Düsseldorf gegenüber dpa. Nach der grundsätzlichen Befürwortung aller Innenminister von Bund und Ländern zur sogenannten Verkehrsdatenspeicherung müssten nun schleunigst Taten folgen, forderte er.
Was den CDU-Politiker umtreibt, sei laut eigener Aussage Frustration der Ermittler und Unverständnis in der Bevölkerung. Erstere würden bei der Kriminalitätsbekämpfung angeblich oft gegen juristische Hürden stoßen. Reul meint damit vor allem gesetzliche Vorgaben des Datenschutzes. Der Staat dürfe bei der Verbrecherjagd nicht hinterherhinken, suggerierte der Minister eine unzulässige Behinderung der Strafverfolger.
Worauf Reuls Vorstoß hinausläuft: Wie auch Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) spricht er sich dafür aus, sogenannte Verkehrsdaten der Internetkommunikation wie IP-Adressen sowie Verbindungs- und Standortdaten zukünftig mit einer »angemessenen Mindestspeicherfrist« auf Vorrat zu halten. »Die furchtbaren Anschläge der letzten Zeit sollen als Begründung für weitere Gesetzesverschärfungen herhalten«, sagte der Linke-Landessprecher Sascha H. Wagner am Sonntag auf jW-Anfrage. Reul bediene sich einer alten Taktik. NRWs Innenminister wolle dabei »nur von seinem Versagen ablenken«. »Wer sagt, dass dieses Gesetz nicht perspektivisch auch gegen soziale Bewegungen und die allgemeine Bevölkerung eingesetzt würde«, fragte Wagner besorgt. Der Vorstoß ist ihm zufolge Teil einer »gefährlichen Entwicklung in Richtung autoritärer Staat«, gegen den Datenschutz und Grundrechte verteidigt werden müssten.
Aus Düsseldorf wurden weitere Vorwände nachgeschoben, mit denen die Massenüberwachung im Internet gegenüber der Öffentlichkeit begründet werden sollen. So gehe »terroristisch« motivierten Straftaten häufig eine »Planungs- oder Radikalisierungsphase« voraus, in der Kommunikation oder Informationsgewinnung über das Internet eine bedeutende Rolle spiele, wie das NRW-Innenministerium erklärte. Die dabei entstehenden Verkehrsdaten seien vergleichbar mit dem Fingerabdruck oder der DNA-Spur in der analogen Welt und könnten für die Ermittlungsbehörden entscheidend sein, behauptete das Ministerium.
Innerhalb der Bundesregierung war die zunächst signalisierte Bereitschaft zur Einführung jener Speicherpflicht am Freitag wieder relativiert worden. »Gespräche zu dem Thema einer rechtssicheren Speicherung von IP-Adressen« würden »noch laufen«, teilte der stellvertretende Regierungssprecher Wolfgang Büchner in Berlin vor Journalisten mit. Am 30. Dezember hatte die stellvertretende Sprecherin Christiane Hoffmann noch erklärt, die Bundesregierung von SPD und Grüne »wäre bereit«, die Speicherung von IP-Adressen einzuführen.
Büchner verwies am Freitag darauf, dass die geplante IP-Speicherpflicht »vom Europäischen Gerichtshof nicht nur für zulässig, sondern für erforderlich erklärt« worden sei. Tatsächlich hatte der EuGH 2022 entschieden, dass die Kommunikationsdaten aller Bürgerinnen und Bürger nicht anlasslos gespeichert werden dürfen. Eine gezielte und temporäre Speicherung der Daten bei einer ernsten Bedrohung für die »nationale Sicherheit« sei dagegen möglich. Zur Bekämpfung schwerer Kriminalität kann laut dem EuGH auch eine sogenannte Vorratsspeicherung der IP-Adressen möglich sein.
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