Wirbel um Strompreis
Von Wolfgang PomrehnViel Aufregung herrschte in den vergangenen Wochen in der Wirtschafts- und Boulevardpresse wegen der vorübergehend durch die Decke gegangenen Börsenstrompreise, die nicht mit den Verbraucherpreisen – auch nicht denen der Industrie – verwechselt werden sollten. Wie so oft ging es in der Berichterstattung weniger um Aufklärung, sondern eher um Stimmungsmache. Entsprechend war diese wichtige Unterscheidung selten zu lesen und der vermeintlich Schuldige schnell gefunden: Kohle- und Atomausstieg sowie der Umstieg auf erneuerbare Energieträger.
Was war geschehen? Mitte Dezember passierte mit der Stromversorgung in Deutschland für ein paar Tage etwas, worüber in der Fachwelt – auch bei den Befürwortern der erneuerbaren Energieträger – schon seit Jahren immer wieder gesprochen und wovor ebenso oft gewarnt wird: Über Deutschland herrschte eine sogenannte Dunkelflaute. Vom Abend des 10. bis zum Abend des 13. Dezember war es im ganzen Land annähernd windstill. Die Windräder lieferten so gut wie keinen Strom. Zugleich fiel kaum Sonnenstrom an, da die Tage kurz und größtenteils bewölkt waren. Dagegen war der Strombedarf tagsüber eher hoch, weil es normale Arbeitstage waren. In der Folge schossen die Preise für den an der Leipziger Börse kurzfristig gehandelten Strom in die Höhe, allerdings nur am 11. und 12. Dezember, nicht jedoch am 13., als die Lücke zwischen inländischem Angebot und Nachfrage ähnlich hoch war. Außerdem trat eine ähnliche Wetterlage noch einmal um den 27. Dezember auf. Nur war an diesen Tagen der Bedarf deutlich geringer und starke Ausschläge an den Börsen blieben aus.
Daran ist bereits abzulesen, dass die Sache etwas komplizierter sein muss, als meist dargestellt. Letztlich hat sie drei verschiedene Dimensionen: eine der Preisbildung, eine technische und ein politische. Was die erste angeht, so war unter anderem die Bereitschaft der Kohle- und Gaskraftwerksbetreiber begrenzt, die Nachfragelücke zu füllen. Auch zu den Hochpreiszeiten war nur jeweils etwas mehr als die Hälfte der installierten Leistung dieser konventionellen Kraftwerkstypen im Einsatz. Die Gaskraftwerke sind aber hochflexibel und auch Kohlekraftwerke brauchen eigentlich nicht mehr als einen Tag, um hochgefahren zu werden. Dennoch wurde ohne ersichtlichen technischen Grund im großen Umfang Strom importiert. Es könnte sein, dass es für die Kraftwerksbetreiber profitabler war, das Angebot knapp und damit den Preis hochzuhalten. Das Bundeskartellamt hat inzwischen angekündigt, den Vorgang untersuchen zu wollen.
Technisch geht es darum, dass elektrische Energie nicht direkt gespeichert werden kann. Im Netz müssen sich Produktion und Bedarf jederzeit die Waage halten. Andernfalls bricht es zusammen. Da Wind und Sonne ungleichmäßig anfallen und nicht zu regulieren sind, müssen drei Dinge geschehen. Erstens: Der Verbrauch muss ein wenig gesteuert werden. Das heißt, Großverbraucher müssen sich, sofern es ökonomisch und technisch vertretbar ist, an das Angebot anpassen. Zweitens müssen, wie seit Anfang des letzten Jahrzehnts gefordert, mehr Speicher geschaffen werden. Und drittens braucht es flexible Kraftwerke, die vorzugsweise mit Biogas oder Wasserstoff betrieben werden. Ein erster Schritt wäre es, die vielen Biogasanlagen endlich entsprechend dem Bedarf im Netz zu betreiben, das heißt, sie vorzugsweise dann einzusetzen, wenn es nicht genug Sonne und Wind gibt. Wasserstoff bietet sich darüber hinaus auch insofern als Zwischenspeicher an, als er überwiegend in den Zeiten von Stromüberangebot produziert werden könnte. Sein Nachteil ist allerdings der hohe Energieverlust durch die Umwandlungsprozesse.
Politisch steckt hinter all dem, dass Strombörse und der freie Handel kein Naturgesetz, sondern politisch gewollt sind. Viele Aspekte der Verteilung und Speicherung ließen sich genauso gut und sicherlich günstiger von gemeinwirtschaftlich orientierten Institutionen administrativ organisieren. Aber natürlich würde das einigen Beteiligten den Gewinn schmälern.
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Leserbrief von R.Brand (6. Januar 2025 um 10:20 Uhr)Warum nennt die jW nicht das Hauptproblem? Es ist das merit-order System, die Börse, die Marktwirtschaft und natürlich auch die völkerrechtswidrigen Sanktionen gegen russ. Erdgas, die alles verteuerten. Falls es die jW auch noch nicht weiß: Es wurden bereits jetzt Netzanschlussanfragen von 161 GW Batteriegroßspeicher gestellt. Wenn nur die Hälfte von der Hälfte dann verwirklicht wird, wäre das enorm. Damit wäre zumindest der Tagesverlauf geglättet/ausgeglichen. Und die Batteriepreise werden weiterhin sinken. Quelle: https://montelnews.com/de/news/8458570b-24b0-46c0-9fb4-e9c881de5660/unb-verzeichnen-161-gw-an-batterie-anschlussanfragen Wenn es nun an wenigen Tagen im Jahr wenig Windstrom und Solarstrom gibt dann haben Gaskraftwerke einspringen, davon haben wir aktuell knapp 37GW. Und diese sollten das außerhalb des merit-order Systems tun müssen, mit festgelegten Preisen. Idealerweise im Eigentum des Staats, also enteignet und verstaatlicht. Aber mit dem kranken System des Kapitalismus und der korrupten Politik wird all das kaum zu machen sein.
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Heinrich H. aus Stadum (5. Januar 2025 um 21:54 Uhr)Tatsächlich ist die Sache mit der Energiewende etwas komplizierter, als meist dargestellt. Insbesondere wird sie mit dem Markt nicht zu bewirken sein. Seine unsichtbare Hand wird lediglich dafür sorgen, dass die subalternen Klassen die Zeche bezahlen und selber auf dem kalten Arsch sitzen bleiben. Aber auch physikalisch-technisch ist die Sache verwickelt. Der Untertitel legt richtig nahe: »Mehr Planung sowie weniger Markt und Profit könnten helfen.« Einige illustrative Beispiele seien genannt. Netzentgelte: Für eine Energiemenge in einem Pumpspeicher muss zweimal Netzentgelt bezahlt werden, einmal auf dem Weg aus dem Stromnetz, einmal zurück – durch die gleiche Kupferstange. Speichertypen: Alle reden von Batterien und meinen LiIonAkkus. Es gibt andere, skalierbare und weit entwickelte Typen, z. B. nach dem redox-flow-Prinzip, die als elektrische saisonale Speicher genutzt werden können. Aber auch thermische Speicher könnten dann geladen werden, wenn viel »Umweltenergie« zur Verfügung steht, nämlich im Sommer. Im Winter kann ihre Energie zum Heizen verwendet werden. Es gibt Typen (Sandbatterie), die sogar Prozesswärme mit mehreren hundert Grad Celsius liefern können. Darüber hinaus haben diese Speicher den Vorteil, dass sie räumlich verteilt und mit unterschiedlichsten Kapazitäten betrieben werden können – natürlich kein Anreiz für Oligopole. Zum Stromnetz als gigantische Fessel: »Im Netz müssen sich Produktion und Bedarf jederzeit die Waage halten. Andernfalls bricht es zusammen.« Das Wechselstromprinzip macht es schwierig, im Netz die Balance zu halten. Das hängt mit der Welleneigenschaft des Stromes zusammen, die sich bei der Größe heutiger Netze bemerkbar macht. Es muss nämlich nicht nur zeitlich die gleiche Energiemenge ein- und ausgespeist werden, sondern auch die Frequenz konstant gehalten werden, informative Seite hierzu: https://www.vde.com/de/fnn/arbeitsgebiete/sicherer-betrieb-dez/ueber-und-unterfrequenz. Ein Gleichspannungsatz hätte solche Probleme nicht.
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