Kritiker kaltstellen
Von Karim NatourDie Bundesregierung hat stillschweigend die Finanzierung für zwei israelische Menschenrechtsorganisationen eingestellt. Dabei handelt es sich wohl nicht um einen isolierten Vorgang, wie aus einer Recherche der Deutschen Welle (DW) vom Sonntag hervorgeht. Die Kürzung von Bundesmitteln für Nichtregierungsorganisationen (NGO), die sich kritisch zur israelischen Regierungspolitik und zum Krieg im Gazastreifen geäußert haben, hat System. In den zurückliegenden Monaten soll demnach 15 Organisationen die Unterstützung gestrichen worden sein, die Mehrzahl davon palästinensisch. Sechs von ihnen hatte Israel 2021 zu Terrororganisationen erklärt – ohne Belege.
Im vorliegenden Fall sind die NGO »Zochrot« und »New Profile« betroffen. Erstere setzt sich für die Erinnerung an die »Nakba« ein, die unter anderem die Vertreibung der Palästinenser im Zuge der israelischen Staatsgründung 1948 bezeichnet. Die Direktorin Rachel Beitarie erklärt, sie habe sich vor der Streichung der Mittel mit deutschen Beamten getroffen. Die »deutsche Vergangenheit, das Naziregime, wurde in diesen Gesprächen immer wieder zur Sprache gebracht«, sagte sie gegenüber DW. New Profile unterstützt israelische Kriegsdienstverweigerer. Schatzmeister Sergej Sandler meint, der Schritt sei zeitlich so abgestimmt, dass er »den größtmöglichen Schaden zufüge«.
Beide NGOs arbeiteten mit der deutschen Bildungs- und Begegnungsstätte »Kurve Wustrow« zusammen. Diese finanziert sich vor allem durch staatliche Gelder. Nach langem Hin und Her wurde die Entscheidung zum Stopp der Finanzierung Mitte Dezember bestätigt. Geschäftsführer John Preuss erklärt, es sei das erste Mal, dass die Bundesregierung ein Projekt gestrichen habe. Eine offizielle Begründung dafür habe man nicht bekommen.
Mehrere Quellen gehen laut DW davon aus, dass Druck aus Israel zu der Entscheidung der deutschen Behörden geführt haben könnte. Auch mit der sogenannten Resolution gegen Antisemitismus, die im November den Bundestag passierte, wird der Schritt in Verbindung gebracht. In einer Erklärung wies das Auswärtige Amt Vorwürfe, Deutschland folge dem Beispiel Israels, um regierungskritische Stimmen zu unterdrücken, als »unzutreffend« zurück.
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