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Aus: Ausgabe vom 07.01.2025, Seite 5 / Inland
Mietwucher

Notlage macht gierig

Mietwucher-App der Linkspartei offenbart Abzockermethoden durch Hauseigentümer. Gerichte und Behörden in der Regel untätig
Von Ralf Wurzbacher
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Ein offenes Ohr finden abgezockte Mieter bei der Linkspartei

Neues Jahr, altes Leid. Auch für 2025 zeichnen sich weiter steigende Mieten ab, und wahrscheinlich ziehen die Preise noch kräftiger an als zuletzt. So lautet nicht bloß die ziemlich einhellige Einschätzung von Immobilienexperten. Mit Vonovia und LEG haben bereits die zwei größten deutschen Wohnungskonzerne die Richtung vorgegeben. Wenigstens vier Prozent mehr wollen beide 2025 mit ihren zusammen rund 700.000 Wohneinheiten kassieren. Sollte dazu noch die sogenannte Mietpreisbremse fallen, könnten es auch fünf Prozent oder mehr werden, teilte LEG-Vorstandschef Lars von Lackum am Donnerstag dem Handelsblatt mit. O-Ton: »Wer die Marktgesetze kennt, weiß, dass ein knappes Gut teurer wird.«

Lasche Gesetze und blinde Aufseher tun ihr übriges. Die Linke im Bundestag hat seit Mitte November auf ihrer Webseite einen »Mietwucherrechner« geschaltet, mit dem Interessierte ihre Zahlungen auf Rechtmäßigkeit prüfen können. Am Montag machte die Partei eine Auswertung der Angaben von knapp 32.000 Menschen aus sieben Städten publik. Von ihnen mussten demnach rund 22.000 mindestens 20 Prozent über dem örtlichen Mietspiegel liegende Kosten berappen. In 13.000 Fällen überstiegen die Ausgaben die Norm sogar um 50 Prozent und mehr. Das Angebot umfasst aktuell Berlin, Hamburg, Freiburg, Leipzig, München, Erfurt und Dortmund und soll sukzessive ausgebaut werden. Die Ergebnisse können an die lokalen Wohnungsämter weitergeleitet werden, die die Vorgänge zu prüfen haben. Bisher sind 1.490 Meldungen verschickt worden.

»Mietwucher ist strafbar«, sagte die Linke-Spitzenkandidatin zur Bundestagswahl, Heidi Reichinnek, dazu der dpa. Ihre Partei wolle »kriminellen Vermietern« das Handwerk legen. Gemäß Wirtschaftsstrafgesetz (WiStG) kann es sich um eine Ordnungswidrigkeit handeln, sofern die Miete den üblichen Rahmen um mehr als ein Fünftel übersteigt. Auf Basis von Paragraph fünf können dann die Miete abgesenkt und Ordnungsgelder erteilt werden. Bei um mehr als 50 Prozent überhöhten Werten kann es sich laut Rechtsprechung unter bestimmten Bedingungen um eine Straftat handeln. In der Praxis ist das Gesetz allerdings ein stumpfes Schwert. Denn vor Gericht muss der Nachweis erbracht werden, dass der Eigentümer die individuelle Notlage seines Mieters, also ein »geringes Angebot an vergleichbaren Räumen« auf dem Markt, zum eigenen Vorteil ausnutzt. Betroffene müssen dafür lückenlos dokumentieren, wieso ihre bisherige Wohnungssuche vergeblich war. Angesichts der ohnehin schlechten Erfolgsaussichten betreiben diesen Aufwand nur die allerwenigsten.

Dazu kommen inaktive Gerichte und Behörden, die Abzockern das Leben leicht machen. Nach einem Bericht des RBB von Mitte Dezember wurde bislang in der Hauptstadt kein einziger Fall von Mietwucher rechtskräftig. Dabei gibt es Verdachtsmomente im Überfluss. Über besagte App der Linkspartei sind innerhalb von nur einem Monat 10.000 Meldungen aufgelaufen, bei denen bei drei Vierteln Preisaufschläge von im Mittel 60 Prozent über dem Zulässigen ermittelt wurden. »Das einzige Instrument, das Mieten effektiv begrenzt hat, war der Berliner Mietendeckel«, befindet die Linke-Gruppe auf ihrer Homepage. Diesen hatte das Bundesverfassungsgericht 2021 jedoch nach kaum mehr als einem Jahr Geltungsdauer wieder gekippt, auch weil es einer bundeseinheitlichen Regelung bedürfe. Dass es dazu kommt, erscheint indes höchst ungewiss, trotz der lobenswerten Bemühungen der Linkspartei, das Thema im Bundestagswahlkampf ins Rampenlicht zu stellen.

Vielmehr sieht es danach aus, dass selbst die in ihrer Wirkung arg beschränkte und durch allerhand Ausnahmen zu umgehende »Mietpreisbremse« im neuen Jahr sukzessive auslaufen wird. Eine Verständigung zwischen der Restregierung und der Union darauf, die Maßnahme noch vor der Bundestagswahl zu verlängern, ist alles andere als sicher. Und nach dem Urnengang mit einem möglichen Kanzler Friedrich Merz (CDU) stünden die Zeichen eher auf noch mehr Freiheit für Hausbesitzer. In der Schwebe befindet sich außerdem ein Paket für immerhin ein paar wenige Fortschritte in puncto Mieterschutz. Nach einem bereits erfolgten Beschluss des Bundesrats soll für Mieter bei Verdacht auf Mietwucher der Nachweis der Ausnutzung einer individuellen Zwangslage entfallen und die Bußgeldobergrenze von 50.000 Euro auf 100.000 Euro verdoppelt werden. Allerdings hatte Marco Buschmann (FDP), der inzwischen entlassene Exjustizminister, die Vorlage noch während seiner Amtszeit wegen verfassungsrechtlicher Zweifel blockiert.

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