Menschenfreund des Tages: Oliver Bäte
Von Felix BartelsWirtschaft is ne feine Sache. Nur der Mensch stört da etwas. Obskure Adepten murmeln gelegentlich, dass die Produktion des gesellschaftlichen Reichtums letztlich für den Menschen sei und nicht bloß von ihm besorgt werde. Aber was wissen die schon? Der Mensch, ein beseeltes Arbeitsmittel. Schlafen, essen und scheißen tut er nur, weil das seine Arbeitskraft reproduziert. So viel zumindest weiß die besitzende Klasse, die nur drei Sorten Mensch kennt: Leistungsträger, Hoffnungsträger, Kostenträger. Letztere gilt es zu stutzen, denn der Konzern ist – anders als die in ihm Arbeitenden – nicht bloß für sich selbst da, sondern zum Wohle des Ganzen. Der ideelle Konzernchef glaubt, der Mensch könne ohne den Kapitalismus nicht leben, dieser ohne jenen aber schon.
Oliver Bäte musste sich nicht bitten lassen. In Sorge ums beständige Ramentern des Betriebs schlug er vor, die Lohnfortzahlung für Angestellte am ersten Krankheitstag zu streichen. »Damit würden die Arbeitnehmer die Kosten für den ersten Krankheitstag selbst tragen«, sagte der Vorstandschef der Allianz dem Handelsblatt. Und die Arbeitgeber würden entlastet. Arbeitnehmer, so nennt man in diesem Land die, die die Arbeit geben. Arbeitgeber, so heißen die, die die Arbeit nehmen. Dem Statistischen Bundesamt zufolge fallen im Schnitt 15,1 Krankheitstage auf einen Angestellten. Das Jahr hat 230 Arbeitstage. Macht also schockierende 6,5 Prozent Ausfallquote. Die niemanden stören, es sei denn, er rechnet ausschließlich in Renditen. Für Bäte indessen gehören tatsächlich Erkrankte in Sippenhaftung für vorgeblich Erkrankte.
Übrigens: Einer Umfrage der Beratungsfirma EY zufolge geben bloß 48 Prozent der Befragten in Deutschland an, am Arbeitsplatz ihr Bestes zu geben. Das allerdings scheint vor dem Hintergrund solches Renditenzynismus immer noch ziemlich hoch.
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vom 07.01.2025