Pleiten am laufenden Band
Von Gudrun GieseDie Zahl der Firmeninsolvenzen in der Bundesrepublik steigt rasant. 2024 war mit 121.300 Verfahren der höchste Stand seit 2015 erreicht, berichtete die Wirtschaftsauskunftei Creditreform im Dezember. Bei den Firmenpleiten sei in etwa das Niveau von 2009 erreicht, als die globale Banken- und Finanzkrise ihren Höhepunkt erreicht hatte, vermutet Steffen Müller, Leiter der Insolvenzforschung am Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH). »Wir sind in der Größenordnung, wo einzelne Monate durchaus 20-Jahres-Hochs abgeben«, sagte er laut dpa vom Montag.
Monatlich meldeten derzeit rund 1.400 Personen- und Kapitalgesellschaften Insolvenz an, was ungefähr den Zahlen von 2009 entspreche. Vor 16 Jahren habe zudem die gleiche Zahl an Kleinstunternehmen jeden Monat aufgegeben, während dieser Wert derzeit bei etwa 500 liege. Patrik-Ludwig Hantzsch, Leiter der Wirtschaftsforschung bei Creditreform, sieht die Pleitezahlen aus der Zeit der Finanzkrise in Sicht. Höchstwerte von 2009 und 2010 mit mehr als 32.000 Unternehmensinsolvenzen könnten bald erreicht werden, erklärte er bei der Veröffentlichung des jüngsten Berichtes zum Thema. In den 121.300 Insolvenzverfahren für 2024 sind neben Firmenpleiten auch Verbraucherinsolvenzen enthalten. Gegenüber 2023 stieg der Wert um 10,6 Prozent.
IWH-Insolvenzforscher Müller erkennt in den steigenden Zahlen »Nachholeffekte«: Vor allem die gestiegenen Zinsen zeigten Folgen. »Unternehmen, die sich früher für wenig Geld finanzieren konnten, kommen jetzt durch steigende Zinsen unter Druck.« In den hohen Insolvenzzahlen erkennt er eine gesamtwirtschaftliche Marktbereinigung. Bereits Anfang November 2024 hatte Müller in einem Bericht die Insolvenzwelle als »Ergebnis eines perfekten Sturms aus langanhaltender konjunktureller Schwäche und drastisch gestiegenen Kosten« bezeichnet. Hochverschuldete Firmen würden in die Insolvenz getrieben. Baugewerbe, Handel, unternehmensnahe Dienstleistungen und verarbeitendes Gewerbe seien besonders stark betroffen. Gleichwohl seien langfristige Prognosen schwierig, so Müller, denn selbst im Fall einer konjunkturellen Erholung könnten die Insolvenzzahlen weiter steigen, »wenn der Rückstau noch nicht abgearbeitet ist«. In der Oktoberbilanz des IWH waren trotz hoher Pleitezahlen verhältnismäßig wenig Arbeitsplätze betroffen. Knapp 11.000 Jobs seien durch Insolvenzen größerer Unternehmen weggefallen. Grund dafür sei das Fehlen sehr großer Pleiten, die noch die Vormonate 2024 geprägt hätten. Allerdings muss in nächster Zeit auch mit erheblichem Arbeitsplatzabbau im Zuge des schleppenden Strukturwandels gerechnet werden. Volkswagen und andere Automobilhersteller haben entsprechende Schritte ebenso angekündigt wie die Stahlindustrie. Auch bei den großen Autozulieferbetrieben sind längst Standortschließungen und Stellenstreichungen geplant.
Im Falle des Prestigeprojektes Lilium wird vermutlich eine Pleite dank einer großzügigen Finanzspritze abgewendet. Im Herbst hatte der Elektroflugzeugbauer Insolvenz angemeldet, da Lilium das Geld für den Bau elektrischer Kleinflugzeuge (»Lufttaxis«) ausgegangen war. Nun will das Investorenkonsortium Mobile Uplift Corporation (MUC) das Betriebsvermögen der beiden Lilium-Tochtergesellschaften – für einen bisher nicht bekannten Betrag – kaufen und 200 Millionen Euro frisches Kapital einbringen, wie die Wirtschaftswoche berichtete. Zuvor müssen noch die Gläubigerausschüsse für die Lilium-Töchter vom Amtsgericht Weilheim bestellt werden und dann dem Kaufvertrag zustimmen. Der entsprechende Ausschuss der Lilium-Dachgesellschaft soll den Verkauf an MUC bereits abgenickt haben, denn »der Verlust eines Unternehmens wie Lilium« wäre fatal, hieß es aus dem Konsortium. Immerhin gibt es bereits rund 700 Bestellungen für »Flugtaxis« aus zahlreichen Ländern. Kunden und Kapitalanleger hätten bis zur Insolvenz des an der US-Börse Nasdaq gelisteten Unternehmens bereits 1,5 Milliarden Euro investiert. Da lohnt sich wohl die »Rettung«.
Solidarität jetzt!
Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.
In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.
Genau das aber ist unser Ziel: Aufklärung mit gut gemachtem Journalismus. Sie können das unterstützen. Darum: junge Welt abonnieren für die Pressefreiheit!
Mehr aus: Kapital & Arbeit
-
Vorbild BRD
vom 07.01.2025