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Aus: Ausgabe vom 08.01.2025, Seite 6 / Ausland
Nahostkonflikt

Signal an Kriegsverbrecher

Brasilien: Israelischem Urlauber drohte Verhaftung wegen Zerstörungen in Gaza
Von Gerrit Hoekman
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Sollten sich Auslandsreisen in Zukunft gut überlegen: Israelische Soldaten in einem Café an der Grenze zum Gazastreifen (1.1.2025)

Die Welt wird deutlich kleiner für israelische Militärs, die im Gazakrieg eingesetzt werden oder wurden. In Brasilien drohte jetzt einem Reservesoldaten ein Gerichtsverfahren, weil er an der willkürlichen Zerstörung von Wohnhäusern beteiligt gewesen sein soll. Der Mann hat seinen Militärdienst wohl inzwischen abgeleistet und befand sich im Urlaub. Offenbar half ihm die israelische Botschaft in Brasília dabei, das Land zu verlassen, bevor er verhaftet werden konnte.

»Im Zuge einer historischen juristischen Entwicklung haben die brasilianischen Behörden entschiedene Maßnahmen ergriffen, um einer Strafanzeige nachzukommen, die die Hind Rajab Foundation (HRF) vor einer Woche gegen einen israelischen Soldaten eingereicht hatte, der sich derzeit als Tourist in Brasilien aufhält«, schrieb die im belgischen Molenbeek-Saint-Jean ansässige Stiftung am 3. Januar auf ihrer Internetseite. Das brasilianische Bundesgericht beschloss am 30. Dezember, gegen den Verdächtigen zu ermitteln. »Dies ist ein entscheidender Schritt hin zu einer strafrechtlichen Verfolgung der in Gaza begangenen Verbrechen«, freute sich die HRF.

Das Verhalten des Soldaten ist nach Ansicht der Stiftung »Teil eines umfassenden Versuchs, palästinensischen Zivilisten unerträgliche Lebensbedingungen aufzuzwingen, was nach internationalem Recht einen Völkermord und Verbrechen gegen die Menschheit darstellt«. Videoaufnahmen und Daten der Geolokalisierung würden eindeutig zeigen, wie der Verdächtige Sprengstoff legt und an der Zerstörung ganzer Stadtteile beteiligt ist. »Diese Person hat aktiv zur Zerstörung von Häusern und Lebensgrundlagen beigetragen, seine eigenen Aussagen und sein Verhalten stimmen eindeutig mit den Völkermordzielen in Gaza überein«, sagte Maira Pinheiro, die brasilianische Anwältin der HRF.

Wegen Fluchtgefahr und einer möglichen Vernichtung von Beweismitteln hatte die Anwältin die sofortige Festnahme des Soldaten verlangt. »Der Verdächtige muss festgenommen werden, nicht nur inhaftiert und wieder freigelassen, um die Integrität der Ermittlungen zu gewährleisten und zu verhindern, dass er sich der Justiz entzieht«, sagte Pinheiro auf der Internetseite der belgischen Stiftung, deren Name an das Mädchen Hind Rajab (2018–2024) erinnert, das unter dramatischen Umständen in Gaza vom israelischen Militär getötet wurde.

Am Montag gab die HRF online bekannt, dass sie auch gegen einen Soldaten der israelischen Givati-Brigade Anzeige erstattet habe, der sich gerade in Argentinien aufhalte. Er soll unter anderem im Kampfeinsatz palästinensische Gefangene als »menschliche Schutzschilde« missbraucht haben und an Plünderungen beteiligt gewesen sein. Die HRF heftet sich seit geraumer Zeit an die Fersen israelischer Soldaten, die Kriegsverbrechen begangen haben sollen. Sie veröffentlicht deren Namen und ihre vermeintlichen Straftaten. Die Stiftung machte nach eigenen Angaben (ehemalige) israelische Soldaten unter anderem in Chile, Frankreich, Großbritannien, den Niederlanden, Sri Lanka, Thailand und Zypern ausfindig und erstattete bei den dortigen Behörden sowie beim Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag und bei Interpol Anzeige.

Israels Außenministerium warnt nun aktuelle und ehemalige Militärangehörige davor, in sozialen Netzwerken Berichte über ihren Gazaeinsatz zu veröffentlichen, weil »antiisraelische Elemente diese Posts ausnutzen könnten, um haltlose Gerichtsverfahren gegen sie einzuleiten«. Nach Indizien und Beweisen muss die HRF nämlich nicht lange suchen – seit Beginn des Kriegs laden israelische Soldaten im Internet millionenfach Fotos und Videos hoch. Sie zeigen sich selbst feixend beim Plündern, Sprengen und Niederbrennen von Häusern oder Skandieren rassistischer Parolen. Die Soldaten posten aber auch ihre Urlaubspläne.

Bisher ist offenbar noch kein israelischer Soldat im Ausland wegen des Einsatzes im Gazakrieg verhaftet worden. Aber alleine die Möglichkeit, dass dies geschehen könnte oder sie die Reise Hals über Kopf abbrechen müssen, dürfte viele in Zukunft davon abhalten, ihren Urlaub außerhalb Israels zu verbringen.

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