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Aus: Ausgabe vom 08.01.2025, Seite 14 / Feuilleton

Rotlicht: Instagram

Von Barbara Eder
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Ohne Insta nur halb so schön: Cosplay

Ein Augenblick ist nicht mehr derselbe, sobald er fotografisch festgehalten wird. Er gerinnt zum eingefrorenen Moment, aus dem Zeitlichkeitskontinuum herausgerissen und als stillgestelltes Bild verfügbar gemacht. Seit der Erfindung der Fotoapp Instagram können Wirklichkeitspartikel dieser Art unbegrenzt im Netz zirkulieren, von einer einschlägigen Community werden sie sekundenschnell produziert und bewertet. Die dazugehörige Medienplattform ist auf das Teilen von Fotos und Videos ausgerichtet und wurde von Kevin Systrom und Mike Krieger in einem kleinen Büro in San Francisco entwickelt. Ursprünglich startete Instagram als Burbn – eine App, die neben Fotofunktionen auch standortbasiertes Teilen anbot. Die Gründer erkannten jedoch, dass sie mit Funktionen überfrachtet war und entschieden sich dafür, den Fokus auf das Fotografieren und Teilen von Bildern zu legen.

Im Oktober 2010 ging Instagram online. Innerhalb weniger Monate wurde die App so populär, dass der heute zu Meta gehörige Facebook-Konzern sie 2012 für rund eine Milliarde US-Dollar erwarb. Seither fungiert Instragram als integrierte Werbeplattform für Facebook und verfügt über einige Funktionen mehr – darunter Stories, Reels, und Shopping-Features. Influencer tummeln sich inmitten der Formate, um ihre Produkte mehr oder weniger subtil zu bewerben. Die Logos von Haarshampoos und Hautcremes dürfen in keinem Strandbild mehr fehlen, jeder Sonnenuntergang im Urlaubsparadies hat einen Reisesponsor. Passend zum faltenfreien Botoxgesicht gibt es das dazugehörige Make-up, der Link darunter führt direkt ins nächste Schönheitsstudio. Mmm, wie das cruncht: Dank Insta-Post hat auch die Dubai-Schokolade ihren Siegeszug um den Erdball angetreten.

Insta-Werbung wirkt mitunter so unscheinbar, dass man sie nicht einmal auf den zweiten Blick bemerkt. Im wischbaren Flow der bewegten Bilder finden sich zahllose Hinweise zu limitierten Angeboten oder Rabattcodes, die Anreize im weiten Feld des E-Commerce erscheinen unbegrenzt; beim Scrollen durch immer kürzere Inhalte wird die Aufmerksamkeitsspanne geringer, vieles erschließt sich der bewussten Wahrnehmung nicht mehr. Was als persönliche Empfehlung daherkommt, hat nur dem Anschein nach nichts Marktschreierisches an sich und ist doch längst integraler Bestandteil der feilgebotenen »Marke Ich«. Die Grenzen zwischen privatem und öffentlichem Raum scheinen dabei schier aufgehoben.

Die Foto-Sharing-App aus dem Silicon Valley hat sich zu einem datengetriebenen Unternehmen entwickelt, allein im zweiten Quartal 2024 hat Instagram einen Umsatz von rund 15,64 Milliarden US-Dollar erzielt. Der Gebrauch fragmentiert die Wahrnehmung und sorgt für eine visuell gesteuerte Aufmerksamkeitsökonomie. Unterm Zwang zur Dauerantwort entsteht noch mehr Stress. Bereits Teenager tragen ihre essgestörten Körper per App zu Markte. Vielleicht ist das alles aber nicht viel mehr als ein Übergangsphänomen, denn: Der Mythos vom bevorstehenden Tod des Internets macht in einschlägigen Netzwerken bereits die Runde.

Das Netz, so heißt es, wird demnächst sterben – es verliert jedenfalls einen Teil seiner Menschlichkeit. 2026 werden knapp 90 Prozent aller Onlineaktivitäten von Bots und sogenannter »künstlicher Intelligenz« erzeugt sein – KIs, die sich in ihrer rekursiven Response wechselseitig beflügeln. Sie kommentieren Twitter- und Facebook-Posts, liken Youtube-Beiträge oder generieren ganze Bildwelten – zuletzt etwa die von Jesus als Garnele am Kreuz. Die in Klickfarmen erzeugte Kommentarflut wird so bald kein Ende mehr nehmen. Das Internet, das in den 1990er Jahren noch als utopischer Raum und globales Vernetzungsprojekt begann, ist dieser Tage schwach auf der Brust. Vielleicht zählen die automatisierten Botantworten in Endlosschleife bereits zu seinen letzten Atemzügen.

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