Rosa-Luxemburg-Konferenz am 11.01.2025
Gegründet 1947 Freitag, 10. Januar 2025, Nr. 8
Die junge Welt wird von 3005 GenossInnen herausgegeben
Rosa-Luxemburg-Konferenz am 11.01.2025 Rosa-Luxemburg-Konferenz am 11.01.2025
Rosa-Luxemburg-Konferenz am 11.01.2025
Aus: Ausgabe vom 08.01.2025, Seite 16 / Sport

Fußball als Revanche

Von André Dahlmeyer
imago1054200421.jpg
Vom Müllmann zum erfolgreichsten argentinischen Torjäger des Jahres 2024: Adrián Emmanuel »Maravilla« Martínez

Ein wunderschönes, gesundes neues Jahr! Mit 30 Toren in 49 Spielen ist Adrián Emmanuel »Maravilla« Martínez der erfolgreichste argentinische Torjäger 2024. Dem Angreifer des Racing Club gelangen 19 Treffer in den beiden Blitzmeisterschaften Silberlands, einer im argentinischen Pokal und zehn (Torschützenkönig) im Wettbewerb der Copa Sudamericana, die Racing Club als Krönung eines tollen Jahres Ende November in Asunción, Paraguay, gegen Cruzeiro Belo Horizonte gewinnen konnte. Der erste internationale Titel des Vereins aus dem südlichen Conurbano von Buenos Aires seit 36 Jahren. So viele Treffer wie die Academia hatte in diesem Wettbewerb überhaupt noch nie ein Team erzielt, und Martínez traf auch im Finale gegen die Elf aus Minas Gerais vorentscheidend. Auf die Plätze zwei und drei verwies er die Weltmeister Lionel Messi (29, Inter Miami) und Lautaro Mártinez (28, ­Inter Mailand). Platz vier belegt Agustín Auzmendi (23), der für den CD Motagua (Tegucigalpa) der honduranischen Profiliga aufläuft. Der Verein feierte Ende des Jahres den 19. Meistertitel. Lionel Altamirano (22), der mit Deportes La Serena den Aufstieg in die erste chilenische Liga schaffte, belegt Platz fünf. Ab sofort stürmt er für den Ligakonkurrenten Huachipato.

Seit 2007 gab es keinen in Argentinien kickenden argentinischen Torjäger des Jahres. Damals war es Martín Palermo, der »Optimist des Tores«. Wie Martínez versenkte El Titán das Runde dreißigmal im Eckigen und gewann mit Boca Juniors in diesem Jahr, angetrieben von einem erleuchtet spielenden Juan Román Riquelme (heute Vereinspräsident der Xeneizes), die Copa Libertadores der Amerikas. Seitdem liegt ein Fluch auf Boca. Zwischen Palermo und Martínez gewann die Trophäe u. a. zwölfmal ein gewisser Lionel Messi.

Martínez’ Werdegang verdient mehr als kalte Statistiken. Er durchlief keine Jugendmannschaften, kickte lediglich im potrero, auf dem Bolzplatz, malochte als Müllmann. Bei einem Motorradunfall verlor er fast eine Hand. Als er endlich wieder gesund war, erklärte ihn sein Chef für untauglich. Seine in Mitleidenschaft gezogene Hand erlaube es ihm nicht, auf einen Müllwagen aufzuspringen. Auch als Straßenfeger würde er sich nicht mehr eignen. Martínez war nun arbeitslos, erhielt aber keine Entschädigung – er war ja offiziell gesund. Er begann, als Bauhelfer bei einem Onkel zu arbeiten. Bauhelfer benutzen keine Maurerkellen, sie kriegen die miesen, harten Jobs. Dann wurde sein jüngerer Bruder Braian (16) erschossen. Also zogen, wie in Argentinien üblich, die Nachbarn los und zündeten das Haus des Täters an. Martínez wurde als angeblicher Rädelsführer festgenommen, saß fast sieben Monate in der Unidad 21 von Campana. »Ich hab keine Schwäche gezeigt. Drinnen kannst du gar nichts zeigen. Sie töten, stechen ab, nehmen Polizisten als Geiseln. Nichts davon steht so in den Medien. Meine Zelle maß zwei mal zwei Meter, war verschimmelt, kein Klo, ich schlief auf einem verrosteten Stück Blech.«

Martínez und sein Vater wurden des Besitzes von Kriegswaffengerät, der Entführung, des Raubs, des bandenorganisierten Volksaufstands und der Aufstachelung zum Feuerlegen beschuldigt. Aber beide waren zu diesem Zeitpunkt im Hospital, wo die Ärzte um das Leben des Bruders kämpften. Das bewiesen die Überwachungskameras des Hospitals. Drei Anwälte hatten sich gefunden, die rund um die Uhr gratis für sie arbeiteten. Als Adrián Martínez aus dem Knast kam, debütierte er mit 22 bei einem Unterklassenverein in der Primera C.

Wie es täglich in Argentinien geschieht, war wieder einmal ein Petersilchen (Sündenbock) gefunden worden. Der Bürgermeister des Barrios hatte von seiner eigenen Untätigkeit ablenken, Erfolge präsentieren und das Viertel als »sicher« darstellen wollen. Belangt worden ist dafür niemand. Zehn Jahre Knast wären Martínez sicher gewesen. Wenn Sie auch mal solche Probleme haben sollten, beten Sie wie Maravilla (Wunder) zu Gott, dass er Ihnen eine Chance mit etwas Rundem gibt. Und dass Sie dafür nicht schon zu alt sind. Amén.

Solidarität jetzt!

Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.

In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.

Genau das aber ist unser Ziel: Aufklärung mit gut gemachtem Journalismus. Sie können das unterstützen. Darum: junge Welt abonnieren für die Pressefreiheit!

Die 30. Internationale Rosa-Luxemburg-Konferenz – am 11. Januar ab 10 Uhr live hier im Stream