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Aus: Ausgabe vom 09.01.2025, Seite 8 / Inland
Rücknahmeabkommen mit Zypern

»Er ist seit einem Monat in einer Art Isolationshaft«

Berlin: Abschiebung von iranischem Regierungsgegner via BER nach Zypern erfolgte rechtswidrig. Ein Gespräch mit Daniela Sepehri
Interview: Yaro Allisat
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»Frauen, Leben, Freiheit«: Demonstration in Gedenken an im Iran verfolgte Aktivisten der Frauenrechtsbewegung (Berlin, 16.9.2022)

Sie haben gemeinsam mit dem Berliner Flüchtlingsrat versucht, die Abschiebung eines »Frauen, Leben, Freiheit«-Aktivisten aus dem Iran nach Zypern zu verhindern. Am Sonnabend ist der Betroffene abgeschoben worden. Wie kam es dazu?

Der Aktivist kam Anfang Dezember am Flughafen BER mit gefälschten Papieren an und wurde dort festgehalten, solange das Asyl im Eilverfahren geprüft wurde. Sein Antrag wurde abgelehnt, dagegen läuft eine Klage. Trotzdem fand am 2. Januar der erste Abschiebeversuch nach Zypern statt. Er scheiterte daran, dass der Aktivist mit der Flugzeugcrew sprach, die solidarisch war und ihn wieder hat aussteigen lassen. Er wurde direkt von der Polizei festgenommen und erneut in die Abschiebehaft gebracht.

Der Haftbefehl wurde angeblich noch am selben Abend telefonisch vom Haftrichter verlängert, jedoch wurde dazu nicht mal der Anwältin, geschweige denn ihm Auskunft gegeben. Erst am nächsten Tag wurde die Person dem Gericht erneut vorgeführt. Der Haftbefehl galt bis diesen Donnerstag. Er ist also seit einem Monat de facto in einer Art Isolationshaft. Am Samstag abend wurde er schließlich abgeschoben. In Zypern wurde er direkt festgenommen und dort in Isolationshaft gebracht. Er sollte dann in den Iran abgeschoben werden.

Warum bezeichnen Sie die Abschiebung als illegal?

Der Aktivist war nie in Zypern registriert. Die Bundespolizei beruft sich hier auf ein Abkommen, das Zypern verpflichtet, ihn »zurückzunehmen«, weil er durch das EU-Land visumsfrei nach Deutschland eingereist ist. Allerdings lebte er schon 2017/2018 in Deutschland. Zudem läuft seine Klage gegen die Ablehnung des Asylantrags. Das ist zwar rechtlich kein Hindernis für eine Abschiebung. Ich finde es jedoch mindestens fragwürdig, dass während ein Verfahren läuft, die Person, um die es geht, einfach abgeschoben werden kann. Dadurch werden die Menschen ja auch ihrer Rechte beraubt.

Wie üblich ist es, einen solchen Druck auszuüben?

Diesen engmaschigen Abschiebedruck gibt es nur bei Menschen im Flughafenverfahren. Am BER haben sie beispielsweise gar keinen Zugang zu unabhängiger Beratung, was durchaus als rechtswidrig bezeichnet werden kann. Auch hat der Flüchtlingsrat Berlin keinen Zutritt zu der Person erhalten, trotz förmlicher Anfrage um Besuchserlaubnis. Mit der Anwältin wurde scheinbar bewusst nachlässig kommuniziert. Das verstärkt das Bild, dass diese Abschiebung um jeden Preis und mit mindestens Beugung rechtsstaatlicher Prinzipien erfolgte.

Was bedeutet es, ein Verfahren an einem Flughafen durchmachen zu müssen?

Flughafenverfahren sind für Menschen extrem belastend, die durch die Flucht und die Situation im Herkunftsland teils schwer traumatisiert sind. In der Abschiebehaft am BER gibt es keine Seelsorger oder Sozialarbeiter. Durch die GEAS-Reform und die Asylrechtsverschärfungen werden diese Zustände zur Normalität werden.

Was droht dem Betroffenen im Iran?

Er hat sich an »Frauen, Leben, Freiheit«-Protesten beteiligt. Im schlimmsten Fall droht ihm also die Todesstrafe.

Wie geht es nun weiter?

Wir nehmen Kontakt mit NGOs in Zypern auf und versuchen Druck zu machen, damit die zypriotischen Behörden die Zuständigkeit für den Fall bei Deutschland sehen. Das ist eine absurde und skandalöse Situation: Deutschland setzt einen Aktivisten aus dem Iran Isolation, Entrechtung und Inhaftierung aus.

Parallel gibt es jedoch noch viele andere ähnliche Fälle, die Aufmerksamkeit benötigen. Wir müssen diese deshalb auf die Asylpolitik lenken. Vor knapp einem Jahr gab es riesige Demos gegen rechts. Die Antwort der Regierung darauf war das Abschiebegesetz. Wir müssen raus aus dieser Hoffnungslosigkeit, dass unser Widerstand scheinbar nichts bringt. Deshalb müssen wir nicht nur in den einzelnen Fällen, sondern politisch Druck machen.

Daniela Sepehri ist politisch aktiv zu den Themen Iran, Feminismus, Migration und Antirassismus. Sie arbeitet als Social Media Coach und Journalistin

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