»Neue Ära«
Von Wiebke DiehlEr wolle den Libanon »nach Osten und Westen und gegenüber der internationalen Gemeinschaft« öffnen, sagte der frisch gewählte 14. libanesische Präsident Joseph Aoun am Donnerstag bei seiner ersten Ansprache nach der Vereidigung. Für den Zedernstaat breche eine neue Ära an. Nachdem das Parlament seit Oktober 2022 bereits zwölfmal zusammengekommen war, um das vakante Amt zu füllen, wurde der bisherige Kommandeur der libanesischen Armee mit 99 von 128 Stimmen im zweiten Wahlgang gewählt. Das hat zur Folge, dass nun auch ein neuer Ministerpräsident sowie ein neues Kabinett ernannt werden können. Ebenfalls seit 2022 wird das Land von einer Interimsregierung geführt.
Der Parlamentsblock der Hisbollah und der ebenfalls schiitischen Amal-Bewegung hatte im ersten Wahlgang leere Stimmzettel abgegeben. Sie demonstrierten damit ihre Vetofähigkeit und konnten in den anschließenden Verhandlungen Garantien Saudi-Arabiens für den Wiederaufbau des Libanon sowie den Verbleib des Finanzministeriums unter ihrer Kontrolle durchsetzen. Zwar ist die Hisbollah durch die Tötung ihres Generalsekretärs Hasan Nasrallah am 27. September und die Ausschaltung fast ihrer gesamten militärischen Führungsriege durch die israelische Armee geschwächt. Die Behauptung westlicher Medien, sie habe im Libanon nichts mehr zu sagen, ist indes weit übertrieben. Erst am Mittwoch hatte der von der Hisbollah und der Amal-Bewegung unterstützte Kandidat Suleiman Frangieh, Führer der christlichen Marada-Partei, seinen Rückzug bekanntgegeben und sich für Aoun ausgesprochen. Bis dahin hielten die beiden schiitischen Kräfte an ihm fest.
Im streng nach konfessionellen Kriterien geordneten politischen System des Libanon muss der Präsident – wie auch der Armeechef – immer maronitischer Christ sein, der Ministerpräsident Sunnit und der Parlamentspräsident Schiit. Dies führt nicht nur zu Konflikten und heftiger Kritik, sondern entspricht auch schon seit Jahrzehnten nicht mehr den tatsächlichen Mehrheitsverhältnissen im Land: Längst haben Muslime, darunter an erster Stelle Schiiten, die anderen Glaubensgemeinschaften überholt.
Dass neben den 128 Parlamentsabgeordneten auch Botschafter mehrerer Länder, darunter die USA, Saudi-Arabien, Iran, Katar, Ägypten und China, bei der Wahl anwesend waren, ist kein Zufall. Seit Jahrzehnten wird die Präsidentschaft des Libanon erheblich von externen Mächten mitbestimmt. Dem Zedernstaat, der sich seit 2019 in der schwersten Finanz- und Wirtschaftskrise seiner Geschichte befindet, wird mit Sanktionen, Blockaden und der Zurückhaltung von Wiederaufbau- und Wirtschaftshilfen gedroht. Wen sich die Bevölkerung als Präsident wünscht, spielt faktisch keine Rolle.
Joseph Aoun, dem auch der israelische Außenminister Gideon Saar am Donnerstag gratulierte, gilt als Mann der USA und Saudi-Arabiens. Ob es ihm dennoch gelingt, das Land zu einen, muss sich erst noch zeigen. Seine Aussage, er werde das Recht des Staates auf »das Monopol auf das Tragen von Waffen« bekräftigen, interpretierten einige Beobachter als Kampfansage an die Hisbollah.
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