China setzt auf sich selbst
Von Jörg KronauerWas kommt nach der Amtseinführung des künftigen US-Präsidenten Donald Trump auf das immer noch äußerst wichtige China-Geschäft Deutschlands bzw. der EU zu? Wenn man das wüsste! So stöhnte Jens Eskelund, Präsident der EU-Handelskammer in der Volksrepublik, am Donnerstag in Beijing. Es sei »wahrlich einmalig, dass wir uns in einer Lage befinden, in der so viel ein reines Ratespiel ist«. Denn Trump zelebriert eines seit je sehr konsequent – seine Unberechenbarkeit. Auch und gerade gegenüber China, dem zentralen Rivalen, ja: Gegner der Vereinigten Staaten, den Trump in seiner ersten Amtszeit mit Zöllen und Sanktionen überzogen hat wie wild. Ob er das wiederholen wird? Kann gut sein.
Diejenigen Unternehmen aus der EU, die in China produzieren, bereiten sich also auf eine höchst ungewisse Zukunft vor. Dabei nimmt eines, wie ein am Donnerstag vorgelegter Bericht der EU-Handelskammer zeigt, einen zentralen Stellenwert ein: die Tendenz zur Lokalisierung. Das ist nicht neu. Der Hauptgrund liegt darin, dass die Vereinigten Staaten, auch unter Präsident Joe Biden, den chinesischen Außenhandel systematisch und in wachsendem Ausmaß mit Zöllen und mit Sanktionen erschwert haben. Chinesische Unternehmen können nicht damit rechnen, dass sie ihren Bedarf in Zukunft noch durch Einfuhren stillen können. Sie müssen im Extremfall alle ihre Einkäufe in China tätigen. Beijing hat darauf reagiert, indem es dem inneren Wirtschaftskreislauf – der Versorgung chinesischer Unternehmen mit chinesischen Produkten – Priorität vor Im- und Export einräumt. Das gilt gleichermaßen für in China ansässige Ableger europäischer Firmen; sie müssen ihre Produktion lokalisieren.
Der am Donnerstag vorgestellte Bericht der EU-Handelskammer bietet nun einige nähere Einblicke in die Lokalisierung von EU-Unternehmen in China. Er basiert auf einer Umfrage, an der sich gerade einmal 113 der rund 1.700 Mitgliedsfirmen der Handelskammer beteiligt haben; sie ist also nicht repräsentativ. Dennoch ist aufschlussreich, dass drei Viertel der teilnehmenden Firmen die Lokalisierung ihrer Aktivitäten nicht oder nicht nur mit Zwängen begründen, die sich aus der stets schwärenden Drohung westlicher Sanktionen ergeben. Sie erklären vielmehr, dass sie damit der Nachfrage chinesischer Kunden folgten, die sich immer deutlicher von der Nachfrage im Westen unterscheide. Ein Beispiel: Chinesen ziehen Elektroautos vor, die mit einem immensen Maß an Informations- und Kommunikationstechnologie ausgestattet sind. Es rechnet sich auch für EU-Unternehmen, die dafür notwendige Forschung und Entwicklung vor Ort in China vorzunehmen.
Das führt allerdings letztlich dazu, dass Unternehmen aus der EU häufig doppelte Arbeit erledigen müssen: Sie fertigen in China, chinesische Lieferketten nutzend, Produkte für den chinesischen Markt, der so groß ist, dass sie auf ihn nicht verzichten können. Parallel fertigen sie außerhalb Chinas, aufgrund drohender Zölle und Sanktionen am besten nichtchinesische Vorprodukte nutzend, Waren für den westlichen Markt. Wie aus dem Handelskammer-Bericht hervorgeht, lohnt sich das zur Zeit zwar noch. Die Reibungsverluste nehmen jedoch zu. Die Handelskammer klagt über »höhere Kosten, doppelte Abläufe, Ineffizienz und geringere Innovation«.
Einen Vorteil hat die Lokalisierung aber immerhin: Diejenigen Unternehmen, die diese schon weit vorangetrieben haben, können dem 20. Januar ein wenig entspannter entgegensehen – dem Tag, an dem Trump erneut ins Weiße Haus einzieht. Denn da mag der kaum berechenbare Politiker mit Zöllen oder mit Sanktionen um sich werfen, wie er will – wer in China mit chinesischen Vorprodukten für den chinesischen Markt produziert, der hat damit kein Problem. Gesamtwirtschaftlich, das betont die EU-Handelskammer in ihrem Bericht, besteht freilich auf lange Sicht die Gefahr, dass die Lokalisierung »die Deglobalisierung beschleunigt«.
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