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Aus: Ausgabe vom 13.01.2025, Seite 2 / Inland
Leipziger Studentenwohnheim

»Ein Problem ist die krasse Intransparenz«

Leipzig: Studentenwerk kündigt drastische Mieterhöhung an. Neue Initiative kämpft dagegen an. Ein Gespräch mit Mischa Jahn
Interview: Yaro Allisat
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Studentenwohnheim in der Straße des 18. Oktober in Leipzig (14.12.2023)

An der Universität Leipzig hat sich eine neue Initiative von Studierenden gegründet, die in Wohnheimen leben. Warum haben Sie sich organisiert?

Weil wir wütend sind. Es wurde angekündigt, dass unsere Mieten ab Februar 2025 kräftig erhöht werden. Es geht um bis zu 40 Euro pro Monat, teilweise noch mehr. Besonders krass ist aber, dass das nun schon das vierte Jahr in Folge passiert, das letzte Mal im August des vergangenen Jahres. Viele Zimmer sind jetzt 30 Prozent teurer als noch 2022. Wir können uns das bei hoher Inflation, kaum steigenden Löhnen und BAföG nicht mehr leisten. Studieren darf nicht arm machen! Uns war klar, dass wir nur kollektiv eine Chance haben, die aktuelle Mieterhöhung zu stoppen.

Sie haben im Dezember eine erste Versammlung einberufen. Wie lief diese ab?

Es musste alles schnell gehen, denn das Studentenwerk hat die Ankündigung direkt vor den Weihnachtsferien versendet und die Erhöhung selbst in die Klausurenphase gelegt. Deswegen blieben uns nur ein paar Tage Zeit, alles zu organisieren. Am Ende waren wir am 18. Dezember zwischen 40 und 50 Studis. Unter diesen Umständen ist das ein großer Erfolg – und erst der Anfang.

Wir haben uns auf der Versammlung den Leipziger Mietspiegel angeschaut und dabei ist uns ziemlich schnell klar geworden: Was wir in den Wohnheimen bezahlen, ist nicht normal. Unsere Mieten sind schon jetzt viel höher als die ortsüblichen Vergleichsmieten. Ein Extrembeispiel ist das Wohnheim in der Arno-Nitzsche-Straße, am südlichen Stadtrand. Nach einer zweifelhaften Modernisierung, bei der zum Beispiel unnötige automatische Haustüren eingebaut wurden, während viele Zimmer immer noch undichte Fenster haben, werden dort 15 Euro pro Quadratmeter warm verlangt. In den anderen Plattenbauten im Viertel zahlt man durchschnittlich 6,67 Euro kalt, plus zwei bis drei Euro Nebenkosten. Das kann nicht sein. Wir waren uns schnell einig, dass Studierendenwohnheime in jedem Fall günstiger sein sollten als der örtliche Durchschnitt.

War für Sie ersichtlich, was hinter diesen Mietkalkulationen steckt?

Wir sind immer wieder auf ein Problem gestoßen: krasse Intransparenz. Wir wissen nicht, wie sich unsere Mieten zusammensetzen und wofür unsere Mietzahlungen verwendet werden. Folgerichtig haben wir die Forderung aufgestellt, dass das Studentenwerk seine Berechnungen offenlegen und allen Mietern zugänglich machen soll.

Außerdem haben wir viel über Repräsentation und Mitsprache gesprochen. Momentan gibt es keine unabhängigen Vertreter, die für die Interessen der Bewohner einstehen. Das wollen wir ändern.

Wen sehen Sie in der Verantwortung für die von Ihnen beklagten Mieterhöhungen?

Das Studentenwerk hat die Aufgabe, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Dieser Aufgabe kommt es nicht nach. Die Preispolitik scheint obendrein undurchsichtig und realitätsfern. So wurden 2022 Mieterhöhungen mit steigenden Energiekosten begründet. Nachdem diese wieder gesunken waren, blieb die Miete aber unverändert hoch, beziehungsweise wurde sie sogar erneut aufgrund von »Instandhaltungskosten« kräftig erhöht. Gleichzeitig verschlechtern sich Zustand und Qualität der Wohnheime aber. Die Sporträume beispielsweise wurden dieses Jahr in den meisten Wohnheimen aus Kostengründen geschlossen.

Wie geht es für Sie weiter?

Unsere Forderungen haben wir dem Studentenwerk übergeben. Selbstverständlich beginnen wir aber auch schon mit der Planung weiterer Schritte. Zunächst wollen wir erreichen, dass möglichst viele unserer Nachbarn gegen die Mieterhöhung aktiv werden.

Dabei können wir von Erfahrungen aus Halle profitieren. Dort haben sich im Jahr 2023 Studierende gegen steigende Wohnheimpreise gewehrt und am Ende Erfolg gehabt. Das Beispiel aus unserer Nachbarstadt zeigt, dass es sich lohnt, gemeinsam für bezahlbare Mieten zu protestieren.

Mischa Jahn studiert Biologie an der Universität Leipzig und ist Mitglied einer neu gegründeten Initiative für bezahlbare Studentenwohnheimplätze in Leipzig

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