Freies Geleit für Netanjahu
Von Reinhard LauterbachDie polnische Regierung hat sich von Staatspräsident Andrzej Duda geradezu lehrbuchmäßig vorführen lassen. Ministerpräsident Donald Tusk verkündete am Freitag, dass Israels Premierminister Benjamin Netanjahu, falls er zu den Feierlichkeiten zum Jubiläum der Auschwitz-Befreiung Ende des Monats nach Polen kommen sollte, trotz des gegen ihn ausgestellten Haftbefehls des Internationalen Strafgerichtshofes in Polen mit keinerlei Schwierigkeiten rechnen muss. Das habe die Regierung beschlossen. Tusk kam damit formal einer Bitte von Duda nach, der am Vortag ein entsprechendes Schreiben gleichzeitig an Tusk und als Blindcopy an diverse polnische Medien geschickt hatte. Der Regierungschef hatte in seiner Beflissenheit nichts Eiligeres zu tun, als zu erklären, er habe dasselbe vorgehabt. Von seiten Netanjahus hieß es hingegen, er sei nie eingeladen gewesen und habe ohnehin nicht vorgehabt, am 27. Januar nach Polen zu kommen. Statt dessen soll der Erziehungsminister die israelische Delegation leiten.
Auf den ersten Blick also viel Lärm um nichts. Doch das Problem liegt tiefer: Polen hat das Statut des Internationalen Strafgerichtshofs (IStG) ratifiziert und ist dadurch verpflichtet, dessen Anordnungen zu folgen. Eine politische Einzelentscheidung darüber ist laut Statut nicht vorgesehen. Tusks Ankündigung ist also ein Affront gegen internationale Verpflichtungen des Landes und indirekt gegen das Bild, das Tusk von sich im Westen gern zeichnet: das eines rechtsstaatlich denkenden und handelnden Politikers. Auch die Medien des Landes spekulieren darüber, was sich Tusk bei seiner Entscheidung wohl gedacht hat: Wollte er sich bei Donald Trump anbiedern, der wie alle Präsidenten der USA vom Internationalen Strafgerichtshof nichts hält, weil seine Urteile zu oft US-Beamte oder -Offiziere betreffen könnten? Sah er nicht, dass ihn nur noch Netanjahu durch einen Verzicht auf die Reise davor retten kann, kohärenterweise auch Wladimir Putin – gegen den ebenfalls ein Haftbefehl des IStG vorliegt – einladen zu müssen?
Die letzte Hypothese ist die wahrscheinlichste: Duda wollte die Tusk-Regierung wohl aufs Glatteis führen und zeigen, dass sie in der politischen Steuerung der Justiz auch nicht besser ist als die ehemalige Regierungspartei PiS, der Tusk und die mit ihm sympathisierenden Medien dies ständig vorwerfen. Denn im Prinzip sind in Polen Gerichte dafür zuständig, die Vollstreckung – oder Nichtvollstreckung – von Haftbefehlen anzuordnen, nicht Politiker. Blamiert sind jetzt Tusk und sein Justizminister Adam Bodnar.
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