Grußwort aus der Haft von Daniela Klette an die Rosa-Luxemburg-Konferenz
Auf der 30. Internationalen Rosa-Luxemburg-Konferenz verlas der Schauspieler Rolf Becker ein Grußwort der in der JVA Vechta in Untersuchungshaft sitzenden mutmaßlichen früheren RAF-Militanten Daniela Klette, das jW hier dokumentiert:
Liebe Teilnehmer*innen der Rosa-Luxemburg-Konferenz – liebe Genoss*innen,
ich grüße Euch heute aus dem Gefängnis von Vechta. Ich wurde vor bald einem Jahr nach Jahrzehnten des Lebens in der Illegalität verhaftet.
Vor mir liegt ein mehrere Jahre dauerndes Justizverfahren, in dem ich angeklagt werde, an bewaffneten Enteignungsaktionen teilgenommen zu haben. Darüber hinaus strebt die Justiz nach einem weiteren Prozess gegen mich, in dem ich angeklagt werden soll, als Militante an Aktionen der Stadtguerilla gegen Kapitalismus und Imperialismus teilgenommen zu haben.
Ich war 17, als der vietnamesische Befreiungskampf den US-angeführten Imperialismus besiegte. Der unglaubliche Sieg wurde mit weltweiter Solidarität erkämpft – trotz Napalm, trotz der enormen Militärmaschine, die der Befreiungsbewegung entgegenstand, und trotz der Massaker an der vietnamesischen Bevölkerung, die die US-Militärs mit der Hilfe und Komplizenschaft des Westens, allen voran Deutschlands, verübt hatten.
Ich war 16, als ich mitbekam, dass man einen Menschen in Haft ermordete, der im Hungerstreik gegen die Folter der Isolationshaft kämpfte. Es war Holger Meins, der gegen die Verhältnisse aufgestanden war und im Gefängnis durch gezielte Unterernährung während der staatlichen Zwangsernährung und der Verweigerung von medizinischer Hilfe getötet wurde.
Es war in vielen Ländern eine Zeit der Versuche der Befreiung und antikolonialer Kämpfe: z. B. die Black Panthers gegen die rassistische Unterdrückung und für die Revolution in den USA, der Kampf gegen die Apartheid in Südafrika oder der FSLN in Nicaragua gegen die Diktatur. Ich begann zu verstehen, was die Menschheit von Kapitalismus und Imperialismus zu erwarten hat. Ja, ich sah mich als Teil der weltweiten Bewegungen, die für die Befreiung von Ausbeutung und Unterdrückung, gegen Kapitalismus und Patriarchat und gegen Krieg und Militarismus kämpften.
Die Justiz verhandelt nun über meine Schuldigkeit in einem juristischen Sinn. Für mich ist es keine Frage der Schuld, sondern danach, was Millionen Menschen bewegte und bewegt: Wie überwinden wir Verhältnisse, die global Krieg, Vertreibung, Ausbeutung, patriarchale und rassistische Unterdrückung, Armut und vollkommene ökologische Zerstörung hervorbringen?
Die Mächtigen rüsten sich im Kampf für den Erhalt ihrer Macht zum großen Krieg. Die Gesellschaft ist von wachsender Armut, Militarisierung und einer nach rechts tendierenden Entwicklung geprägt. Der Kapitalismus steuert in Richtung des ökologischen GAUs: Der Zustand der heutigen Welt zeigt überdeutlich, dass die Fragen nach der Überwindung dieser Zustände gerechtfertigt waren und heute notwendig sind. Diese Fragen sind Fragen an uns alle, und wir werden sie nur kollektiv und in großen Bewegungen beantworten können. Ich wäre gerne bei Euch, um gemeinsam an diesen Fragen zu arbeiten. Aber die Repression und der staatliche Wille, die Geschichte der Fundamentalopposition abzuurteilen, lässt das nicht zu.
Niemand, der als Teil der emanzipatorischen und revolutionären Linken eingesperrt wird, wird einfach wegen seiner angeblichen oder tatsächlichen Taten zur Gefangenschaft gezwungen. Wir sitzen alle aufgrund des staatlichen Willens, die Geschichte revolutionärer Kämpfe zu delegitimieren und zur Abschreckung der Kämpfe der Zukunft im jahrelangen Elend der Gefängnisse. Das betrifft mich genauso wie Mumia Abu-Jamal und Leonard Peltier in den USA, die gefangenen Anarchist*innen in Griechenland – Marianna, Dimitri, Nikos, Dimitra – und viele andere politische Gefangene weltweit.
In diesem Sinne ist der Justizprozess gegen mich ein Prozess gegen eine emanzipatorische, linksradikale und antikapitalistische Opposition.
Ich würde mich sehr freuen, wenn die, denen es möglich ist, zu meinem in Kürze beginnenden Prozess kommen – auch als Ausdruck davon, dass es nicht nur ein Prozess gegen mich ist, sondern auf einer anderen Ebene ein Prozess gegen alle, die sich mit der Frage der Überwindung des Kapitalismus auseinandersetzen. Ich würde mich sehr über jegliche Solidarität freuen!
Ich wünsche Euch viel Erfolg und, ja, ich hoffe auch viel Spaß bei der diesjährigen Rosa-Luxemburg-Konferenz!
Solidarische, kämpferische und herzliche Grüße an Euch alle.
D. K.
Solidarität jetzt!
Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.
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