Aus Leserbriefen an die Redaktion
Militär ohne Staatswesen
Zu jW vom 9.1.: »Mehr als drei Prozent«
Unser strahlender Wirtschaftsminister hat seine Forderung in die Debatte geworfen, die Militärausgaben Deutschlands müssten auf 3,5 Prozent der Wirtschaftsleistung gesteigert werden. Nun hat es der Herr Habeck ja nicht ganz so mit den Wirtschaftsdaten und der Kompetenz in vielen Fachfragen. Also rechnen wir einfach mal nach: Als Maß der Wirtschaftsleistung wird gemeinhin das Bruttoinlandsprodukt verwendet. Das betrug 2024 rund 4,5 Billionen Euro. Davon 3,5 Prozent sind rund 160 Milliarden. Da Militärausgaben aber nicht aus dem Bruttoinlandsprodukt, sondern aus dem Staatshaushalt bezahlt werden, der 2024 bei nur knapp 500 Milliarden lag, darf man getrost übersetzen: Herr Habeck möchte in Zukunft ein Drittel der deutschen Staatsausgaben im Militär verschleudern. (…)
Und Donald Trump setzt noch einen drauf: Fünf Prozent der Wirtschaftsleistung müsste man doch ins Militär stecken können. Die Hälfte des Staatshaushaltes überhaupt! In der Konsequenz könnte man dann auch alles Geld des Staates ins Militär stecken. Denn von einem funktionierenden Staatswesen bliebe sowieso nichts mehr übrig. Auch ohne erst all die gehorteten Waffen einsetzen zu müssen.
Joachim Seider, Berlin
Spiel mit dem Feuer
Zu jW vom 9.1.: »Mehr als drei Prozent«
Russland werden unisono aus der NATO Großmachtinteressen nachgesagt. Und was ist das? Kanada als 51. Bundesland, NATO-Partner Dänemark wird ein Teil seines Territoriums (wie es auch immer zustande kam) streitig gemacht. Der Panamakanal soll heim ins amerikanische Reich geholt werden und der Golf von Mexiko zum Golf von Amerika werden, sicherlich mit all den Staaten, die darin angesiedelt sind, also auch Kuba. Mir kommen die Szenen aus »Der große Diktator« mit Charlie Chaplin in den Sinn – der Tanz mit der Erdkugel als Luftballon, bis sie platzt.
Am gefährlichsten für die Welt sind die Ansprüche auf Grönland. Hier geht es natürlich um Bodenschätze, aber auch um die Nähe zu den Polarregionen Russlands und die absolute Kontrolle über die Nordostpassage von Europa nach Asien. Biden hat man eine gewisse Senilität nachgesagt, gefährlicher ist Trump – er ist größenwahnsinnig. Hoffentlich merken das die Politiker in Berlin, Paris, London und anderswo sehr bald. Eine Friedensordnung mit Trump wird nicht möglich sein – der Rohstoffhunger, der Hunger nach Einflusssphären wird keinen Frieden hervorbringen.
Der Zeiger der Doomsday-Uhr rückt mit dem 20. Januar 2025 weiter auf die zwölf zu. Dazu kommt nun auch noch die Aufnahme Indonesiens in die BRICS-Gruppe. Maßgebliche Handelswege für die Weltschiffahrt geraten nun unter die Kontrolle der BRICS-Staaten, nach dem Suezkanal, der Straße von Hormus usw. Auch damit lässt sich die Gier nach dem Panamakanal erklären. Hier sitzen die nächsten Kandidaten für die BRICS-Gruppe. Es ist jetzt schon ein heißes Spiel. Doch Trump entfacht mit seinen Äußerungen das Feuer ohne Rücksicht auf seine Verbündeten. Aber vielleicht sollten die europäischen NATO-Staaten die Rüstungsausgaben wirklich auf fünf Prozent erhöhen, aber wegen der USA, nicht wegen Russland (Zynismus aus). Wer solche Freunde hat …
Andreas Eichner, Schönefeld
Was wurde aus Lohn, Preis, Profit
Zu jW vom 8.1.: »Profitable Zwangsarbeit«
Klassenkampf scheint als Begriff wieder mehr salonfähig zu werden. Lange Zeit war das Wort angeblich nicht mehr zeitgemäß, als Gewerkschaften und Kapital ihre Liebe und Solidarität zueinander entdeckt hatten. Nicht selten wurde die sogenannte Arbeitnehmerschaft mit verlogenen und geheuchelten Argumenten in die Liebesheirat genötigt. Wenn zu alledem die Klasse in sich gespalten ist, aristokratische, privilegierte Teile der Klasse vom Teil am sozialen Ende losgelöst sind, dann ist Klassenkampf von oben leicht zu führen und zu gewinnen. An den Spruch eines der reichten Männer der Welt, Warren Buffet, sei erinnert, der die Welt so beschreibt:
»Es herrscht Klassenkrieg, richtig, aber es ist meine Klasse, die Klasse der Reichen, die Krieg führt, und wir gewinnen.«
Das sind doch Ansagen! (…) Die Verliererklasse hat weitestgehend Klassenkampf verlernt, hat sich im Klassenkonflikt aufgegeben, von falschen Führern führen lassen und weiß kaum mehr vom Inhalt des Gegensatzes zwischen Kapital und Arbeit. Es wundert also gar nicht, wenn Kapitalvertreter wieder weniger Feiertage, einen Karenztag bei Krankheit, mehr Zwangs- und Sklavenarbeit für alle jene, die sich angeblich mit Hartz, Bürgergeld oder in Arbeitslosigkeit ein schönes Leben ohne Arbeit machen wollen. Es verwundert gar nicht, wenn Kapital angeblich für Wachstum mehr und längere Arbeitszeiten fordert. Da waren im ökonomischen Verständnis Arbeitergenerationen vor bald 200 Jahren schon mal weiter. Bis heute funktioniert die Massenverdummung nach dem Prinzip: mehr Geld und Lohn, mehr Arbeit. Wer stellt noch die Fragen, warum braucht es endloses Wachstum und wofür? Wer kann noch den Zusammenhang erklären zwischen Lohn, Preis, Profit und Wert der Ware Arbeitskraft? Mehr Arbeit hat immer nur die Profittaschen schneller praller gefüllt als die Lohntüten. Welche Mehrarbeit auch den arbeitenden Menschen abverlangt wird, an dem Verfall der gesamten Infrastruktur, den öffentlichen Gütern ändert das rein gar nichts. Die Arbeit als erstes Grundbedürfnis des Menschen, Arbeit, die den Menschen erst zum Menschen gemacht hat, die Arbeit als wahrhaft gesellschaftliche Arbeit zum Wohle und Reichtum aller, die Befreiung der Arbeit aus dem Zwang, nur Lohnarbeit für den Reichtum weniger zu sein, das ist die Lösung, auf die die Klasse wieder orientieren muss. Solidarität mit den Ärmsten gehört dazu, wie die Solidarität mit den VW-Arbeitern, die um ihren Arbeitsplatz bangen und denen wieder klarzumachen ist, was sie sind und nicht zu sein glauben.
Roland Winkler, Aue
Wer stellt noch die Fragen, warum braucht es endloses Wachstum und wofür? Wer kann noch den Zusammenhang erklären zwischen Lohn, Preis, Profit und Wert der Ware Arbeitskraft?
Solidarität jetzt!
Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.
In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.
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