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Aus: Ausgabe vom 14.01.2025, Seite 5 / Inland
Bahnstreik

Fahrer wie Fahrgäste

Tarifrunde bei BVG: 16.600 Beschäftigte gegen Reallohnverluste, Personalengpässe und politische Versäumnisse
Von Niki Uhlmann
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Bahnen kommen zu spät, sind zu voll und kosten zuviel. Verantwortlich sind Politik und Verkehrsbetriebe, die so wenig wie möglich in Infrastruktur und Personal investieren wollen

Je dringender man auf die nächste Bahn oder den nächsten Bus angewiesen ist, desto eher fallen sie aus. So fühlt es sich zumindest an. Die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi kennt die Zahlen: 2023 sind in Berlin 0,5 Prozent aller Busse, 1,5 aller Trams und 3,7 Prozent aller U-Bahnen ausgefallen. Das möge nach »prozentual wenig klingen«, betreffe bei insgesamt »1,12 Milliarden Fahrgastfahrten« aber viele Fahrgäste, kommentierte Jeremy Arndt, Verdi-Verhandlungsführer für die Berliner Verkehrsgesellschaft (BVG), bei einer am Freitag anlässlich der anstehenden Tarifrunde abgehaltenen Pressekonferenz.

Er nannte zudem die Gründe. Einerseits würde das Berliner Verkehrschaos, darunter allerlei »politische Versäumnisse«, den Fahrern der BVG Beruf und Leben schwermachen. Andererseits und vor allem herrsche aufgrund mangelnder Finanzierung und schlechter Arbeitsbedingungen ein horrender Personalmangel, der noch größer würde, wenn der Reallohnverlust seit 2021 nicht ausgeglichen werde. 2019 habe die BVG als größtes Nahverkehrsunternehmen der BRD im »bundesweiten Vergleich« der Fahrereinstiegsgehälter »auf Platz zwei gelegen«, heute läge man auf dem letzten. 522 Euro mehr verdienten die Hamburger. »Wenn man die Verkehrswende will, dann muss man in die Verkehrswende investieren«, und zwar »in die Infrastruktur« und »in das Personal«.

Wie fragil das Verkehrsnetz ist und welche Belastung die Arbeit für die BVG mit sich bringt, illustrierte Manuel von Stubenrauch, Straßenbahnfahrer und Tarifkommissionsmitglied. »Auch ich benötige die BVG, und wenn der Nachtbus nicht kommt, weil der Fahrer fehlt, dann komme ich nicht zur Arbeit.« Um zwei Uhr morgens stünde er oft auf, damit ab vier Uhr die Straßenbahn rollt. Für Pausen bliebe an den Endhaltestellen kaum Zeit. Ein Toilettengang reiche dann aus, um die nächste Verspätung auszulösen. Das bedeute Stress – für die Fahrgäste und für ihn. Überdies starte die nächste Schicht zuweilen in »nur elf oder zwölf Stunden«, zuwenig Zeit für Erholung und Familie. Obwohl der Beruf »eigentlich schön« sei, würden er und seine Kollegen sich wiederholt fragen: »Warum tue ich mir das an?« Mit 24 von ihnen hätte er damals die Ausbildung begonnen. Nur fünf seien heute übrig.

»Diese Belastung, die wir heute bei der BVG feststellen müssen, hatten wir in der Form noch nie«, ergänzte Janine Köhler, die seit 30 Jahren bei der BVG arbeitet und seit 2024 dem Personalrat vorsteht. Vergangenes Jahr habe dieser mehr als die Hälfte aller Mitarbeiter zu Arbeitsbedingungen und Vergütung befragt. 60 Prozent aller befragten Fahrer gaben an, dass ihr Lohn nicht ausreiche. Viele müssten trotz anstrengendem Beruf auf Nebenjobs zurückgreifen oder an Feier- und Sonntagen arbeiten, um Zuschläge zu verdienen. Für die Forderungen, die Tarifrunde und, sollte er notwendig werden, den Arbeitskampf habe man »absoluten Rückhalt in der Belegschaft«. Zum 31. Dezember 2024 hatte Verdi den 2021 mit drei Jahren Laufzeit geschlossenen Tarifvertrag mit der BVG gekündigt.

Am Mittwoch beginnt die neue Tarifrunde mit der ersten Verhandlung. Die Beschäftigten fordern 750 Euro pro Monat mehr für alle Beschäftigten, eine Fahrtdienst- und Wechselschichtzulage von jeweils 300 Euro und eine Schichtzulage von 200 Euro sowie ein 13. Monatsgehalt. BVG-Personalvorständin Jenny Zeller-Grothe erteilte ihnen am Sonnabend gegenüber dpa eine Absage. Die Forderung Verdis sei nicht finanzierbar. Man werde sich bei Verhandlungen aufeinander zu bewegen müssen. Sie verdient bei der BVG laut Geschäftsbericht 333.500 Euro pro Jahr. Obwohl sie beim Entgelt Nachholbedarf sehe, legten BVG und Kommunaler Arbeitgeberverband bislang kein Angebot vor. Auch auf Nachfrage von junge Welt am Montag wussten deren Pressesprecher nicht mehr, als dass die BVG auf »konstruktive Verhandlungen« und einen »guten Tarifabschluss für die Mitarbeitenden und das Unternehmen« sinne.

Der Konzern scheint unwillig. Arndt aber weiß: »Wir sind auf jeden Fall durchsetzungsfähig.« Und Stubi, wie seine Kollegen ihn nennen, setzte hinzu: »In den letzten zwei Monaten haben wir über 1.000 neue Mitglieder geworben.« Wer künftig pünktliche Öffis will, ist gut beraten, ihren Streik zu unterstützen.

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