Deutscher Himmelssturm
Von Ralf WurzbacherSpaghetti für den Kranich. Am Montag wurde der Deal endgültig perfekt gemacht. Die Lufthansa treibt ihren Expansionskurs voran und verleibt sich mit der Italia Trasporto Aereo (ITA Airways) einen weiteren Konkurrenten aus dem Ausland ein. Der europäische Marktführer erwirbt zunächst 41 Prozent der Nachfolgegesellschaft der in Konkurs gegangenen Alitalia, peilt jedoch langfristig eine Komplettübernahme der Staatsairline vom Stiefel ein. Vorausgegangen waren lange Verhandlungen mit der italienischen Politik sowie Wettbewerbshütern in Rom und Brüssel. Sie fürchten einen deutschen Himmelsturm über dem alten Kontinent und haben dem Käufer diverse Zugeständnisse abgetrotzt. Sorgen machen müssen sich auch die Beschäftigten. Demnächst sollen Hunderte Stellen in der Verwaltung gestrichen werden.
Nach der Air Dolomiti, die 2003 komplett geschluckt wurde, ist dies bereits der zweite erfolgreiche Beutezug der Lufthansa auf der Apenninhalbinsel. Die ITA soll nach der 2007 erworbenen Swiss, ehemals Swissair, der zweitgrößte Ertragsbringer von allen Auslandstöchtern werden. Zunächst blättert das Unternehmen 325 Millionen Euro für seinen Fang hin, was dem Vernehmen nach gestern offiziell vollzogen wurde. Gemäß einer Vereinbarung mit dem italienischen Wirtschafts- und Finanzministerium soll die ITA erst zu 90 Prozent und bis 2033 für die kolportierte Gesamtsumme von 830 Millionen Euro vollständig an den deutschen Wettbewerber veräußert werden. »Es ist in unserem Interesse, die italienische Regierung in den nächsten Monaten an Bord zu halten«, sagte Konzern-CEO Carsten Spohr der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) vom Montag. »Eine 100-Prozent-Übernahme ist aber das klare Ziel.«
Die Lufthansa Group ist schon jetzt die mit Abstand umsatzstärkste Fluglinie in Europa, vor der französischen Holding Air France-KLM und Turkish Airlines. Unter deutscher Führung fliegen außerdem noch Austrian Airlines, Brussels Airlines und Edelweiss Air, auf dem Heimatmarkt komplettieren Eurowings, Discover Airlines, Lufthansa Cargo und verschiedene Regionalpartner das Portfolio. »Ohne die Aussicht auf einen Ergebnisbeitrag in dreistelliger Millionenhöhe wären wir den Schritt nicht gegangen«, äußerte sich Spohr zu seinem neuesten Coup mit der ITA. Die Ausgangssituation sei »hervorragend«, man werde »etwa 18 Monate benötigen, bevor wir alle Synergien heben können«, fügte er hinzu.
Seinen Schnabel hat der Kranich auch nach der TAP Air Portugal ausgestreckt, um damit das Südamerikageschäft auszubauen. Bei dem Thema gebe es »keinen neuen Sachstand«, bemerkte Spohr dazu, ergänzte allerdings, dass an einer »Konsolidierung« kein Weg vorbeiführe, wenn große europäische Luftfahrtkonzerne mit der Weltspitze Schritt halten wollten. Mit Konsolidierung meint er wohl so viel wie Nestraub. Wie zu lesen war, könnte auch die lettische Air Baltic, bisher nur ein »wichtiger Partner«, über kurz oder lang von der Lufthansa bedrängt werden. Fragen zu möglichen Anteilsveränderungen müsse die »lettische Regierung als Haupteigner beantworten«, befand Spohr. Bei der portugiesischen TAP planen die Kölner Konzernlenker Medienberichten zufolge zunächst den Einstieg mittels einer Minderheitenbeteiligung unter 20 Prozent, um ein zeitraubendes Kartellprüfverfahren der EU-Kommission zu vermeiden.
Im Falle von ITA Airways mussten die Bosse den Wettbewerbshütern verschiedene Zugeständnisse machen. Demnach sind Start- und Landerechte in Mailand und Rom an die Konkurrenz abzugeben. Zudem hat ITA bereits drei Strecken nach Nordamerika gestrichen und muss künftig Passagiere des Konkurrenten International Airlines Group (IAG), der Muttergesellschaft von British Airways und Iberia, sowie Air France bevorzugt zu deren Drehkreuzen fliegen. Allerdings wird der Neuerwerb mit knapp 100 Flugzeugen, 5.000 Beschäftigten und einem Jahresumsatz von zuletzt drei Milliarden Euro die größte Auslandsgesellschaft der Lufthansa-Familie. Zu den ITA-Stammkunden zählt auch Papst Franziskus.
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